- Projekt „Balkensturz“ regt zur Reflexion über Vergangenheit und Gegenwart des Landhauses an
Im Frühjahr 2019 beschloss die Tiroler Landesregierung, die Geschichte des Landhauses in Innsbruck als Sitz des nationalsozialistischen Macht- und Verwaltungsapparates zu dokumentieren und aufzuarbeiten. Zwei Jahre später wurde ein künstlerischer Wettbewerb ausgelobt, um ein Zeichen der Erinnerung zu setzen und über Vergangenheit und Gegenwart des Landhauses, das in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes gebaut wurde, zu reflektieren.
Nun steht fest, welches Projekt umgesetzt wird: „Wir gratulieren der Künstlerin Ramesch Daha und dem Architekturkollektiv AKT, die uns mit ihrem Projekt ‚Balkensturz‘ überzeugt haben“, freuen sich Kulturlandesrätin Beate Palfrader und der für Liegenschaften und Hochbau zuständige Landesrat Johannes Tratter. Die künstlerische Intervention am Landhausplatz sieht 21 symbolisch auf den Platz geworfene Deckenbalken aus dem sogenannten „Hofer-Zimmer“ vor, welches nach dem Tiroler „Gauleiter“ Franz Hofer benannt ist. Die im Original ins Holz geschnitzten Ornamente und nach dem Krieg abgeschliffenen NS-Symbole sollen mittels Frottagetechnik übertragen und als Negativ in die neuen Balken gefräst werden. Somit werden die Archivierung und die Arbeit der Entnazifizierung miteinander verbunden.
„Die entstehende Intervention schafft einen unmittelbaren Zugang zur Geschichte des Landhauses, sie wird Neugier wecken und somit zu einem Ort des Diskurses werden“, sind sich LRin Palfrader und LR Tratter einig. Die in drei Reihen schräg zum Landhaus aufgestellten Balken werden das Gebäude nicht direkt berühren. Der dadurch entstehende Raum ist begehbar und lädt die Menschen zum Durchschreiten ein, sie können die Ornamente sehen und begreifen.
Zweistufiger Wettbewerb mit insgesamt 41 Beiträgen
Der Wettbewerb wurde als offener Kunstwettbewerb mit vorgeschalteter Bewerbungsphase durchgeführt. In der ersten anonymen Einreichphase wurden 36 Vorschläge eingereicht, von denen fünf für die zweite Stufe ausgewählt wurden. Zusätzlich wurden fünf internationale KünstlerInnen mit ausgewiesener Expertise in Fragen der Erinnerungskultur direkt zur zweiten Stufe zugelassen. „Wir danken den zahlreichen Bewerberinnen und Bewerbern für ihre Einreichungen sowie den Mitgliedern der Fachjury für ihre Arbeit“, so LRin Palfrader und LR Tratter.
Über die KünstlerInnen
Ramesch Daha wurde in Teheran geboren und lebt seit 1978 in Wien. Die Künstlerin arbeitet mit einer Vielfalt an Medien sowie mit Dokumenten aus öffentlichen und persönlichen Archiven. Daha verknüpft in ihrer künstlerischen Arbeit biografische Aspekte, kollektive Erinnerungen und historisch-politische Ereignisse zu neuen Konstellationen. Damit verbunden sind eine intensive Reisetätigkeit und Studienaufenthalte. Breite internationale Anerkennung erlangte Daha mit ihrer bisher noch nicht abgeschlossenen Serie Victims 9/11, in der sie versucht, alle Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 durch individuelle Porträts dem Vergessen zu entreißen. Ramesch Daha war in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen sowie in Publikationen international vertreten. Seit 2021 ist sie auch Präsidentin der Wiener Secession.
AKT ist ein Wiener Architekturkollektiv mit derzeit 17 Mitgliedern. Seit seiner Gründung 2019 beschäftigt sich das Kollektiv mit der Frage nach dem sozialen Stellenwert von Architektur und ihrem unmittelbaren Einfluss auf gesellschaftliche Beziehungen Die Mittel des Kollektivs sind das Bauen und das begleitende Schreiben über Architektur. Gemeinsam mit dem Wiener Architekten Hermann Czech gestaltet AKT den österreichischen Pavillon auf der 18. Architekturbiennale in Venedig 2023.
Fact Box zum Wettbewerb
Die drei erstgereihten Projekte des Kunstwettbewerbs waren wie folgt:
1. „Das Gauhaus – Wir haften für unsere Geschichte“ von Franz Wassermann
2. „Balkensturz“ von Ramesch Daha + Architekturkollektiv AKT
3. „HÖR:MAL“ von U1 Architektur + Andrea Sommerauer + Klemens Wolf
In Abwägung der Zielsetzung der Ausschreibung entschied sich das Land Tirol schlussendlich für das Projekt „Balkensturz“ von Ramesch Daha und dem Architekturkollektiv AKT als das am besten für die tatsächliche Umsetzung geeignete Kunstprojekt. Wesentlich ist dabei, dass die Intervention den Vorgaben der Ausschreibung entspricht und sich innerhalb des gekennzeichneten Planungsareals befindet. Das „Hofer Zimmer“ wird sozusagen auf den Boden vor das Landhaus gebracht, es wird erfahrbar und begreifbar. Der haptische Zugang regt zum Diskurs an und bietet zusätzliche Möglichkeiten der Erklärung. In einer Gesamtsicht ist daher das Projekt „Balkensturz“ am besten geeignet, das Ziel des Wettbewerbs umzusetzen und eine überzeugende, verständliche und in die Zukunft gerichtete Botschaft und Anregung zur Reflexion über Vergangenheit und Gegenwart des Gebäudes anzuregen.
Das Land Tirol dankt allen KünstlerInnen, die Projekte eingereicht haben und damit einen wertvollen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte des Landhauses beigetragen haben. Jene KünstlerInnen, die im Zuge des Wettbewerbs die zweite Stufe erreicht haben, erhalten eine Aufwandsentschädigung, für die drei erstgereihten Projekte wird entsprechend der Reihung ein Preisgeld ausbezahlt.