Fakten, Kunst und Positionen.
Warum eine Ausstellung zu Migration und Integration in Tirol? Hannes Gstir, Fachbereich Integration
Wenn wir uns mit dem Thema Migration und Integration in Tirol beschäftigen, begegnen uns vielfältige Begriffe, vielfältige Positionen, vielfältige Ideen und – vor allem – eine Vielfalt an Menschen. Zum Stichtag 31. Dezember 2008 lebten Menschen aus 165 verschiedenen Herkunftsländern in Tirol. So wurden zum Beispiel 30.000 TirolerInnen in Deutschland, mehr als 17.000 in der Türkei, 1.400 in Ungarn, 400 in Ägypten, 40 in Venezuela und 3 in Mali geboren – und sind zu einem Teil der Tiroler Gesellschaft geworden. Genau wie jene Menschen, die schon seit Generationen in Tirol leben, haben auch sie ein Interesse daran und ein Recht darauf, Tirols Gesellschaft mitzugestalten und zu formen. Sie sind hier heimisch geworden, haben hier den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen, arbeiten und leben hier mit ihren Familien – kurz: sie sind TirolerInnen. Von Zugewanderten UND Eingeborenen erfordert der Prozess der Annäherung die Auseinandersetzung mit Unbekanntem und Neuem, es braucht von beiden Seiten Bemühungen, sich in einer sich verändernden Gesellschaft zurechtzufinden, und die Bereitschaft, sich auf diese Veränderungen einzulassen. Schulen, Ämter und Behörden sind aufgefordert, in ihren Dienstleistungen und ihrer Organisation der Tatsache gerecht zu werden, dass auch Tirol ein Einwanderungsland ist. In öffentlichen und in privaten Zusammenhängen werden Migration und Integration kontrovers und emotional diskutiert. Öffentliche Diskussionen werden von der Mehrheitsgesellschaft dominiert und fallen häufig undifferenziert aus. „VIELFALT daheim IN TIROL“ entstand aus dem Bedürfnis, die öffentliche Debatte über Migration und Integration zu erweitern und zu beleben. Mit der Vielfalt an Meinungen, Positionen und Inhalten, die die Ausstellung abbildete, wurde sie ihrem Titel mehr als gerecht. Die Ausstellung gab und gibt der zugewanderten Bevölkerung eine stärkere Stimme und stellt die positiven Aspekte einer vielfältigen Gesellschaft in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Wir wollten verschiedene Lebenswelten sichtbar machen, Integrationsleistungen und den Prozess der Identifikation von Zugewanderten mit ihrer Heimat Tirol darstellen, und nicht zuletzt historische und gesellschaftliche Fakten vermitteln. Es war uns ein besonderes Anliegen, die Tiroler Bevölkerung für die vielfältigen Lebenswelten und deren Potential für das gesellschaftliche Zusammenleben zu sensibilisieren. Im Zentrum standen Fakten, Kunst und Positionen zu Migration und Integration, Heimat und Identität in Tirol. Die Exponate der Ausstellung wurden 2010 in einem breit angelegten Dialogprozess unter Beteiligung von TirolerInnen mit und ohne Migrationshintergrund entwickelt. Anschließend war die Ausstellung in acht verschiedenen Tiroler Gemeinden und Städten zu sehen – und sie wandert in Teilen noch weiter. Das war keineswegs als Marketinggag gedacht, weil es zu einer Migrationsausstellung eben gut passt zu wandern. Dahinter standen zwei Ideen, die uns bei der Entwicklung wichtig waren. Zum Ersten wirkt die Ausstellung an unterschiedlichen Orten immer anders, weil sie Bezug auf ihre Umgebung und die Situation vor Ort nimmt, und nicht zuletzt entwickelte sie sich von Ort zu Ort weiter. Der zweite Aspekt war, dass Integration vor Ort, in den Gemeinden stattfindet. Deshalb war es uns so wichtig, dass die Ausstellung in jenen Gemeinden und Städten, die sich mit Integration besonders auseinandersetzen (müssen), zu sehen war und Impulse gegeben hat. In Führungen und Dialogforen, die als moderierte Diskussionen die Ausstellung begleiten, erfolgte eine intensive Auseinandersetzung. Wenn es dabei zu vielfältigen Diskussionen kam, Menschen ihre Meinungen und Positionen vertreten und auch verändert haben, Vorurteile und Behauptungen durch Faktenwissen ersetzen konnten, wenn zwischenmenschliche Begegnungen und persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema stattfanden, wenn Gemeinsamkeiten, Differenzen und Potentiale unterschiedlicher Lebenswelten als positive Tatsache wahrgenommen wurden – dann war die Ausstellung „VIELFALT daheim IN TIROL“ ein rundum gelungenes Projekt.