Spannungsfeld Vermittlung. Mit alten Meinungen kommen, mit neuen Fragen gehen.
Joanna Maria Egger, pädagogisches Konzept
„Was sind eigentlich Migrantinnen?“
„Auf diesen Fotos schauen ja alle ausländisch aus.“
„Ja, ich möchte gerne mal länger in einem anderen Land leben.“
„Warum hat diese Frau ein Dirndl und ein türkisches Kopftuch an?“
„Ich fühle mich als richtiger Tiroler!“
„Ich spreche jeden Tag mehr als 2 Sprachen.“
„Sind diese Röntgenbilder deshalb da, damit wir sehen, dass wir von innen alle gleich ausschauen?“
„Meine Großeltern sind aber nicht in Tirol geboren.“
„Ich suche jetzt mal Albanien.“
„He, cool, die auf diesem Foto kenn‘ ich!“
„Ich fühle mich als Hip-Hopper, als Innsbrucker und als Türke.“
„Wir sind alle gleich und irgendwie doch nicht.“
„Schräg, ich habe über voll viele Dinge noch gar nicht nachgedacht.“
Jugendliche, Kinder und Erwachsene aus ganz Tirol erkundeten seit Jänner 2010 die Ausstellung „VIELFALT daheim IN TIROL“ und brachten die pädagogischen VermittlerInnen mit ihren vielfältigen Aussagen und Zugängen immer wieder zum Staunen. Doch genau von diesen Beiträgen, Widersprüchen und Perspektiven, und vor allem vom Austausch darüber lebt und wächst ein solches Projekt.
Die Ausstellung war die Basis für Workshops mit junge Menschen zwischen 10 und 20 Jahren, geführte Rundgänge und die „Gespräche über Integration“ für Erwachsene. Mit Hilfe von eigens entwickelten Spielen, Aufgaben zur Selbsterkundung, Gesprächen in Kleingruppen, einer Annäherung an die Kunstwerke, Zeit für Selbstreflexion und angeleiteten Gesprächen versuchte das Vermittlungsteam, den jungen BesucherInnen Raum zum Nachdenken über die Themenbereich Vielfalt und Migration zu ermöglichen. In einer wertschätzenden Atmosphäre und durch den lustvoll-spielerischen Zugang, die diese Workshops boten, wurde in den letzten Monaten viel diskutiert und darüber gesprochen, welche Fragen junge Menschen – jenseits der dominanten Diskurse über „Migration“ und „Integration“ – in diesem Themenbereich beschäftigt. Wo fühle ich mich daheim? Habe ich schon mal eingegriffen, wenn jemand diskriminiert wurde? Wann fühle ich mich einer Gruppe zugehörig, wann „draußen“? Was könnte ich gegen Rassismus machen? Woher kommt eigentlich meine Familie? Wann ist man eigentlich eine „richtige Tirolerin“ oder ein „richtiger Tiroler“? Die größte Herausforderung für das Vermittlungsteam war jedoch die Gratwanderung zwischen folgenden zwei Polen. Einerseits ist es wichtig, den BesucherInnen die sehr klaren Inhalte und Botschaften der Ausstellung näherzubringen. Die Perspektive von MigrantInnen in den Mittelpunkt zu stellen, die Vielfalt ihrer Lebenswelten sichtbar zu machen, den Begriff „Migration“ auch positiv zu besetzen und „Gegenmelodien“ zum gesellschaftlich dominanten Sprechen über dieses Thema hörbar zu machen; darauf lag ganz klar der Schwerpunkt in der inhaltlichen Arbeit mit den BesucherInnen. Andererseits sollte es in der Vermittlung auch Raum für Mehrdeutigkeiten, Interpretationen durch die BetrachterInnen, Widersprüchlichkeiten, Selbstreflexion und Fragen geben. Irritiert sein, das Betrachtete mit eigenen Erfahrungen verknüpfen, ratlos vor einem Objekt stehen, viele Gefühle gleichzeitig spüren oder seine eigenen Positionen hinterfragen; das ist der zweite Schwerpunkt des Vermittlungskonzeptes. Das pädagogische Konzept der Ausstellung „VIELFALT daheim IN TIROL“ versuchte mit den Workshops, den geführten Rundgängen und nicht zuletzt mit den „Gesprächen über Integration“ diesem Spannungsfeld gerecht zu werden. Das Team der VermittlerInnen war gefordert, aber die Gratwanderung zwischen dem Weitergeben von Wissen einerseits und dem Raumgeben zum Überdenken eigener Positionen andererseits scheint gelungen zu sein. So manche der jungen und auch älteren BesucherInnen erzählten, dass sie mit vielen Fragen im Kopf aus der Ausstellung gingen und sie das Gesehene, Gehörte und Erlebte noch länger beschäftigte. Und genau das wollte das Projekt.