Gewalt-Schutzkonzept
Die jungen Menschen bei allen Unternehmungen des Jugendbeirats vor jeder Form von Gewalt zu schützen, ist uns ein besonderes Anliegen. Aus diesem Grund wurde, gemeinsam mit den Mitgliedern des Jugendbeirats, das nachfolgende Gewalt-Schutzkonzept entwickelt.
Beim nachfolgend angeführten Gewalt-Schutzkonzept für den Jugendbeirat handelt es sich um eine Kurzfassung. Bei Interesse stellen wir Ihnen gerne die Gesamtversion zur Verfügung. In diesem Fall wenden Sie sich direkt an die Servicestelle Gleichbehandlung und Antidiskriminierung.
Mail: servicestelle.gleichbehandlung@tirol.gv.at
Telefon: +43 (0) 512 508 3292
Einleitung
Kinder und Jugendliche möchten vor allem in jenen Bereichen, die sie selbst betreffen, mitreden und mitentscheiden können. Dies gilt selbstverständlich auch für junge Menschen mit Behinderungen, was durch die Verankerung in der UN-Behindertenrechtskonvention gesichert ist. Auf dieser Grundlage wurde der Jugendbeirat des Tiroler Monitoringausschusses gegründet. Im Schuljahr 2017/18 als Pilotprojekt bzw. Projektgruppe gestartet, ist die Gruppe seit Februar 2019 offiziell als Beirat für den Tiroler Monitoringausschuss zum Schutz und zur Überwachung der Rechte von Menschen mit Behinderungen eingerichtet.
Die Mitglieder des Jugendbeirats treffen sich einmal monatlich im Jugendzentrum Tivoli in Innsbruck, um sich über Themen, die sie betreffen, auszutauschen. Meist reflektieren sie auch darüber, was sich ändern muss, um die Lebenswelt junger Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Bei den Treffen nehmen ca. 10 – 18 Jugendliche im Alter zwischen 15 und 29 Jahren teil. Die Treffen werden durch eine eigens dafür engagierte und pädagogisch ausgebildete Person begleitet und durch eine(n) Mitarbeiter*in der Servicestelle Gleichbehandlung und Antidiskriminierung des Landes Tirol unterstützt. Immer wieder erhält der Jugendbeirat auch Einladungen zu Veranstaltungen oder Tagungen, um zu konkreten Themen zu referieren. Dabei werden die Jugendlichen von persönlichen Assistent*innen bzw. einer pädagogisch geschulten Person begleitet.
Bei allen Unternehmungen des Jugendbeirats gilt es als oberste Prämisse, sämtliche Mitglieder des Jugendbeirats vor jeglicher Form von Gewalt zu schützen und das Bewusstsein bei allen agierenden Personen für das Thema zu stärken.
Das vorliegende Schutzkonzept umfasst alle für den Jugendbeirat des Tiroler Monitoringausschusses tätigen Personen und deren Tätigkeiten für und mit dem Jugendlichen. Dabei sollen die jungen Mitglieder des Jugendbeirats durch präventive Maßnahmen vor jeglicher Form von Gewalt geschützt sein, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihren körperlichen und kognitiven Fähigkeiten. Der Jugendbeirat soll für sie, sowohl während den regulären monatlichen Treffen, als auch bei der Teilnahme an unterschiedlichen Veranstaltungen oder Ausflügen, einen sicheren Ort bieten. Zudem ist es wichtig, die für den Jugendbeirat tätigen Personen vor falschen Anschuldigungen zu bewahren.
Ziele des Schutzkonzepts
- Bewusstmachen der strukturellen Risiken
- Schaffung von Transparenz als Grundlage von Vertrauen
- Stärkung des Bewusstseins der Mitarbeiter*innen-Teams für jegliche Form von Gewalt gegenüber den Mitgliedern des Jugendbeirats
- Verhinderung jeglicher Form von Gewalt an den Mitgliedern des Jugendbeirats durch die Gestaltung entsprechender Struktur- und Rahmenbedingungen
- Stärkung der Mitglieder des Jugendbeirats durch Vermittlung ihrer Rechte, um sie als selbstbestimmte Menschen zu fördern
- Schaffung eines klaren Rahmens, um Täter*innen möglichst fernzuhalten
- Klares Fallmanagement für unterschiedliche Formen von Verdachtsfällen
Verhinderung eines Generalverdachts von außen
Rechtlicher Rahmen
Die Rechte von Menschen mit Behinderungen und Kinderrechte sind in internationalen Rechtsquellen, in Verfassungsbestimmungen sowie in einfachen Gesetzesbestimmungen verankert. Sie dienen als Grundlage für die Arbeit mit den Mitgliedern des Jugendbeirats.
Formen von Gewalt
Gewalt hat viele Gesichter. Unabhängig, welche Form von Gewalt an Kindern oder Jugendlichen oder Menschen mit Behinderungen ausgeübt wird, sie hinterlässt immer tiefgreifende Spuren.
Es gibt sehr verschiedene Formen von Gewalt (Vgl. Broschüre Gewalt an Kindern und Jugendlichen: Information – Hilfsangebote – Prävention der Kinder- und Jugendanwaltschaft Tirol:
- Körperliche Gewalt: Ohrfeigen, Schläge, an den Haaren ziehen, Zwicken, Schütteln, usw.
- Seelische Gewalt: Demütigung, Drohung, Beleidigung, Herabwürdigung, usw.
- Sexualisierte Gewalt: Sexuelle Handlungen mit Minderjährigen oder Menschen mit Behinderungen zur Befriedigung sexueller Bedürfnisse von Erwachsenen
- Vernachlässigung: Grundlegende körperliche und oder seelische Bedürfnisse werden nicht oder nur unzureichend befriedigt
- Strukturelle Gewalt: Ungleiche Chancen im Leben durch Abhängigkeiten bzw. Machtgefälle
- Kinderhandel bzw. Menschenhandel: Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Kindern oder Schutzbefohlenen, Menschen mit Behinderungen zum Zweck der Ausbeutung, einschließlich sexueller Ausbeutung
- Schädigende Praktiken: Oftmals traditionsbedingte Praktiken, wie z.B. Kinderehe oder Zwangsverheiratung, weibliche Genitalverstümmelung.
Menschen mit Behinderungen können behinderungsspezifische Formen von Gewalt erfahren (vgl. Schönwiese, Volker (2011) digitale Bibliothek bidok – behinderung inklusion dokumention. Pädagogische Machtverhältnisse, Gewalt und Behinderung. Innsbrucker Bildungstage. Innsbruck., wie z.B.
- Wegnahme oder Beschädigung von Hilfsmitteln bzw. die Androhung dessen
- Nicht-Akzeptieren bzw. Nicht-Beachten der Privatsphäre
- Vorenthalten von Pflege- und Hilfstätigkeiten oder die Weigerung eine Unterstützung so durchzuführen, wie sie erwünscht ist
- Vorenthalten von Unabhängigkeit und Autonomie
- Starre Regeln und Verhaltensvorgaben, wie z.B. Essen, Trinken, zu Bett gehen nur zu bestimmten Zeiten, usw.
- Unerwünschte oder unnötige Kontrolle über das Leben einer Person
- Kritik bezüglich mangelnder Dankbarkeit für notwendige Pflegetätigkeiten und Unterstützung
- Negative Kommentare in Bezug auf eine vorliegende Behinderung
- Beschuldigung in Bezug auf eine vorliegende Behinderung
Reflexion der Organisation
Reflexionsprozesse sind ein wichtiger Bestandteil eines Schutzkonzepts. Neben der Rolle der Servicestelle Gleichbehandlung und Antidiskriminierung und jener der agierenden Personen wurden folgende Bereiche näher beleuchtet:
- Kultur der Achtsamkeit unter den tätigen Personen
- Beteiligungskultur und Partizipationsmöglichkeiten für die Mitglieder des Jugendbeirats
- Fehlerkultur
Risikoanalyse
Die Risikoanalyse ist die Grundlage für die Entwicklung eines Schutzkonzepts. Dafür wurde der Jugendbeirat hinsichtlich verschiedener Ebenen betrachtet, inklusive einer Raumanalyse, um mögliche Grenzkonstellationen zu identifizieren. In weiter Folge wurden mögliche Risiken analysiert und eingeschätzt, mit dem Ziel konkrete Maßnahmen für deren Minimierung zu formulieren.
Präventive Maßnahmen gegen Gewalt
Gewaltprävention beginnt mit der Haltung und Einstellung der Mitarbeiter*innen. Verankert wird dies im Leitbild für den Jugendbeirat des Tiroler Monitoringausschusses, das gleichzeitig auch den Rahmen für die Verhaltensgrundsätze und den Verhaltenskodex bildet. Der Verhaltenskodex wird sowohl von den für den Jugendbeirat tätigen Personen als auch den Besucher*innen unterzeichnet. Dabei verpflichten sie sich, einen aktiven Beitrag für ein geschütztes, gewaltfreies Umfeld für die Mitglieder des Jugendbeirats zu leisten. Die tätigen Personen übernehmen die Verantwortung für die Sicherheit der Jugendlichen, achten auf deren Bedürfnisse und respektieren die körperliche und seelische Integrität.
Zudem haben die Mitglieder des Jugendbeirats gemeinsam ihre eigenen Verhaltensregeln für die Gruppe erarbeitet. Diese sind klar formuliert und allen Mitgliedern bekannt.
Die Leitung der Servicestelle Gleichbehandlung und Antidiskriminierung trägt dafür Sorge, dass die Mitarbeiter*innen über eine hohe soziale Kompetenz verfügen und über Fachwissen bezüglich
- Gewaltprävention,
- den gewaltfreien Umgang und
- das Erkennen von entsprechenden Signalen bei den jungen Menschen.
Datenschutz und Medien
Öffentlichkeitsarbeit ist ein wichtiger Bestandteil, um den Jugendbeirat und seine Aufgaben bekannt zu machen. Medien, Internet aber auch die Social-Media-Kanäle, tragen somit wesentlich dazu bei, um über seine Aktivitäten und Tätigkeiten zu informieren. Bei der Verarbeitung von medialen Inhalten werden sämtliche Rechte der Mitglieder des Jugendbeirats gewahrt, ihre Wünsche berücksichtig und ihre Identität und Würde geschützt.
Beim Erstellen von Bild-, Video- oder Tonmaterial verspflichtet sich die Servicestelle stets die Würde der dargestellten jungen Menschen zu wahren und die Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) einzuhalten. Dabei wird von den Mitgliedern des Jugendeirats eine schriftliche Einwilligung nach dem Vorbild der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Landes Tirol eingeholt, bei unter 14-jährigen zusätzlich die Zustimmung der Obsorgeberechtigten.
Beschwerdemanagement
Damit die Jugendlichen bei Problemen die Möglichkeit haben, sich zu beschweren, bedarf es klarer und transparenter Beschwerdewege. Dabei ist es wichtig, sie in angemessener Form und Sprache zu ermutigen, sich Rat bzw. Unterstützung zu holen oder gemeinsam nach anderen Lösungen zu suchen. Die Jugendlichen benötigen die Gewissheit, offen reden zu können und bei Problemen und Anliegen Hilfe erwarten zu dürfen. Wichtig dabei ist auch, klar zu kommunizieren welche Beschwerde-Möglichkeiten es gibt, wo und worüber sie sich beschweren können bzw. was mit den getätigten Beschwerden passiert (vgl. Kinderschutzkonzept der Kinder- und Jugendanwaltschaft des Landes OÖ, Seite 16).
Hier bekommst du Informationen, wenn du eine Beschwerde in Zusammenhang mit dem Jugendbeirat hast.
Fallmanagement
Werden Grenzüberschreitungen von Mitarbeiter*innen beobachtet bzw. von außen gemeldet, ist für alle Beteiligten wichtig, auf einen klaren Handlungsleitfaden und eine Übersicht der Zuständigkeiten bzw. Verantwortlichkeiten zurückgreifen zu können. Dazu wurden relevante Sachverhalte erhoben und eingeordnet und entsprechende Maßnahmen abgeleitet. Die gemeldeten Verdachtsfälle und Beschwerden werden auf Basis der erarbeiteten Abläufe und Verantwortlichkeiten behandelt (vgl. u Kinderschutzkonzept der Kinder- und Jugendanwaltschaft des Landes OÖ, Seite 16) Höchste Priorität hat stets der Opferschutz.
Die Servicestelle Gleichbehandlung und Antidiskriminierung geht ausnahmslos jedem Verdachtsfall bzw. jeder Beschwerde nach. Für eine bestmögliche und reibungslose Abwicklung wurden Handlungsgrundsätze, ein Handlungsplan und Checklisten entwickelt. Dadurch wird der Informationsfluss zwischen den einzelnen Akteur*innen gewährleistet (dazu Kinderschutzkonzept der Kinder- und Jugendanwaltschaft für Tirol, Seite 9). Die Vorgehensweise und entsprechenden notwendigen Handlungsschritte sind den zuständigen Mitarbeiter*innen und Systempartner*innen bekannt. Der Rückhalt der Leitung der Servicestelle und die Klarheit der Verantwortlichkeiten schafft die notwendige Sicherheit (Kinderschutzkonzept der Kinder- und Jugendanwaltschaft des Landes OÖ, Seite 17). Im Verdachtsfall ist es wichtig, sensibel, zeitnah und adäquat vorzugehen, um weiteren Schaden abzuwenden. Sämtliche Abklärungen sind gemäß den Datenschutzrichtlinien und im Sinne eines fairen Verfahrens durchzuführen.
Dokumentation und Weiterentwicklung
Die Mitarbeiter*nnen für den Jugendbeirat tauschen sich regelmäßig über die Inhalte des Schutzkonzepts und deren Wirksamkeit aus und stehen dazu in Kontakt mit der Leitung der Servicestelle Gleichbehandlung und Antidiskriminierung. Dabei werden gegebenenfalls Anpassungen, Aktualisierungen und Verbesserungen durchgeführt. Die dokumentierten Ergebnisse können von allen Mitarbeiter*innen der Servicestelle eingesehen werden. Dies gewährleitet eine vollständige Transparenz. So findet ein stetiger Lernvorgang statt.
Anwendungsbereiche
Das vorliegende Schutzkonzept dient dem Schutz sowohl für die Mitglieder des Jugendbeirats als auch alle tätig werdenden Personen während der gesamten Zeit der Teilnahme an regulären Treffen, Veranstaltungen, Ausflügen oder Tagungen und Kongressen. Dabei soll sichergestellt sein, dass sowohl die Einhaltung der UN-Behindertenrechtskonvention und der Rechte für Kinder (bei minderjährigen Mitgliedern) als auch der Schutz vor jeglicher Form von Gewalt gewährleistet ist.