„Die Folgen des Patriarchats“

Tiroler Enquete Frauen und Gleichstellung erörterte Herausforderungen für die Gleichstellung

  • LRin Pawlata lud Stakeholder aus Frauen- und Gleichstellungsbereich zu Enquete ins Landhaus ein
  • Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Fokus
  • ExpertInnenvorträge lieferten Impulse und Grundlagen

Heute, Montag, fand im Großen Saal des Landhauses die Tiroler Enquete Frauen und Gleichstellung statt. Unter dem Titel „Die Folgen des Patriarchats – oder der lange Weg zur Gleichstellung“ wurden die bestehenden Hindernisse bei der Gleichstellung kritisch beleuchtet. Zur Enquete hatte Frauenlandesrätin Eva Pawlata politische EntscheidungsträgerInnen, SozialpartnerInnen, MitarbeiterInnen in Frauen- und Gleichstellungseinrichtungen sowie weitere Interessierte eingeladen. Besonderes Augenmerk lag dabei auf der beruflichen und ökonomischen Gleichstellung von Frauen sowie der ungleichen Aufteilung von Care-Arbeit. Dabei werden nicht nur die Herausforderungen analysiert, sondern auch konkrete Lösungswege identifiziert, um diese Ungleichheiten aktiv anzugehen und zu überwinden. Der Enquete ging auch eine entsprechende Landtagsentschließung voraus.

Einiges hat sich in Sachen Gleichstellung von Frauen und Männern in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten getan. Nichtsdestotrotz sind, wie auch Statistiken zeigen, Frauen und Mädchen nach wie vor mit Diskriminierungen und Ungleichheiten konfrontiert. So zeigt die Zeitverwendungserhebung der Statistik Austria (2021/2022), dass 70 Prozent der unbezahlten Sorgearbeit in Tirol von Frauen geleistet wird. In Folge arbeiten rund 82 Prozent der Frauen mit Kindern unter 15 Jahren in Teilzeit (Statistik Austria, 2022). Hinzu kommt, auch bei gleicher und vergleichbarer Arbeit, die nach wie vor bestehende Einkommensdifferenz. Diese beträgt in Tirol heuer knapp 17 Prozent, das sind 61 Tage. Der Equal Pay Day fiel somit auf den 1. März 2024.

„Die steigende Bereitschaft von Männern, sich in die Kindererziehung, -betreuung und Pflege einzubringen ist natürlich erfreulich. Dennoch dürfen wir nicht die realen Herausforderungen übersehen, denen viele Frauen tagtäglich gegenüberstehen: Die für viele ungelöste Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die gläserne Decke oder das Phänomen der weiblichen Altersarmut sind nur einige davon. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, klassische Geschlechterrollen und ökonomische Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern zu hinterfragen und zu durchbrechen“, betont LRin Pawlata.

Fachvorträge rund um faire Verteilung von Care-Arbeit

Anhand von Fachvorträgen erhielten die TeilnehmerInnen der Enquete Impulse und Grundlagen für die anschließenden Diskussionen. Zum Einstieg las die Autorin Mareike Fallwickl-Glavnik aus ihrem feministischen Roman „Die Wut, die bleibt“. Dieser handelt von der Last, die auf Frauen abgeladen wird. Dieser „Mental Load“, also die mentale Belastung aufgrund der einseitigen Verteilung von Aufgaben und Verantwortungen, kann Ausgangspunkt schwerer psychischer und körperlicher Krankheiten sein. Männlichkeits- und Geschlechterforscher Erich Lehner, Obmann des Dachverbands für Männer-, Burschen- und Väterarbeit in Österreich (DMÖ), stellte in seinem Vortrag das Konzept der sorgeorientierten Männlichkeit vor. Dieses umfasst nicht nur die faire Aufteilung der Care-Arbeit in der Familie, sondern auf betrieblicher Ebene auch die Förderung des männlichen Engagements im Pflegebereich und der weiblichen Berufstätigkeit.

Hinter der ungleichen Aufteilung von Sorgearbeit und Berufsleben stehen vor allem geschlechtsspezifische Rollenbilder und Zuschreibungen. Diese sind in den gesellschaftlichen Strukturen verankert und werden vielfach dadurch reproduziert. Auch in der Präambel der Tiroler Landesverfassung, die von der „Treue zu Gott und dem Erbe der Väter“ sowie der „geordneten Familie als Grundzelle von Volk und Staat“ handelt, liest Politikwissenschaftlerin Alexandra Weiss Zeichen patriarchaler Verhältnisse heraus. Sie gehören nicht der Vergangenheit an, sondern seien lediglich subtiler geworden, so Weiss. Auch Paul Scheibelhofer, Assistenzprofessor im Bereich Kritische Geschlechterforschung, beleuchtete in seinem Vortrag strukturelle Ursachen der ungleichen Verteilung von Care-Arbeit und ging der Frage nach, wie diese Teil von männlichen Persönlichkeitsstrukturen werden.

Sensibilisierung als wichtiger erster Schritt

„Aus der heutigen Enquete nehme ich viele wichtige Anregungen für die künftige Arbeit mit. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis wurde ein kritischer Blick auf den Status Quo, zugleich aber auch auf Ansatzpunkte und Möglichkeiten geworfen, um auf dem Weg hin zu echter Gleichstellung und Chancengleichheit für alle Menschen voranzukommen. Wir müssen konstant daran arbeiten, traditionelle Geschlechterrollen und patriarchale Strukturen zu hinterfragen und aufzubrechen. Dafür braucht es ein gemeinsames Engagement auf vielen Ebenen. Ein wichtiger erster Schritt ist Aufklärung und Bewusstseinsbildung“, zieht LRin Pawlata Bilanz und verweist dabei auch auf die Sensibilisierungskampagnen „Sorgende Männer“ (2023) und „Gleiche Chancen für SIE. Gegen strukturelle Gewalt“ (2024).

Im Rahmen der Kampagne „Sorgende Männer“ wurden unterschiedliche Modelle der Freistellung vorgestellt. Mehr Informationen dazu finden sich auch weiterhin unter www.tirol.gv.at/richtigemaenner. Die Kampagne „Gleiche Chancen für SIE“, die bis Februar dieses Jahres lief, machte auf strukturelle Gewalt als Ursache ungleicher Machtverhältnisse und damit Lebenschancen aufmerksam. Mehr Informationen dazu finden sich unter www.gewaltfrei-tirol.at.