Welttag der Suizidprävention: Gespräche können Leben retten

Welttag der Suizidprävention am 10. September

  • 1.068 Personen starben 2020 österreichweit durch Suizid
  • Tirols Psychosozialer Krisendienst steht unter der Nummer 0800 400 120Menschen in seelischen Notsituationen zur Seite
  • 2.620 Anrufe beim Psychosozialen Krisendienst seit Bestehen – 180 davon im Kontext mit Suizid oder Suizidgedanken

Seit 2003 wird jährlich am 10. September der Welttag der Suizidprävention begangen, um auf die Problematik der Suizidalität hinzuweisen und der Verstorbenen zu gedenken.

In Österreich starben 2020 laut Statistik Austria 1.068 Personen durch Suizid. „Vergleicht man diese Zahl mit den insgesamt 344 getöteten Personen im Straßenverkehr, so entspricht die Todesursache Suizid dem mehr als dem Dreifachen. In Österreich nehmen sich durchschnittlich täglich drei Menschen das Leben“, zeigt Soziallandesrätin Gabriele Fischer auf und betont: „Die meisten Menschen, die einen Suizidversuch unternehmen, wollen nicht sterben, sondern können so wie bisher nicht mehr weiterleben. Gespräche können in solchen Situationen Leben retten. Hilfe ist möglich: Anlaufstellen müssen noch bekannter werden.“

Seit Oktober vergangen Jahres entwickelte sich aus der Corona-Sorgen-Hotline heraus der Psychosoziale Krisendienst, der vom Land Tirol im Jahr 2020 aliquot mit rund 190.000 Euro und im Jahre 2021 mit rund 410.000 Euro sowie von den Sozialversichtungsträgern gefördert wird und auch abseits der Pandemie mit Rat und Hilfe Menschen in seelischen Notsituationen zur Seite steht – Menschen, die glauben, sich an nichts mehr festhalten zu können, die sich schutzlos fühlen. „Für viele Betroffene ist es sehr schwer, sich in akuten Krisen und schwierigen Lebenslagen Hilfe zu suchen. Ein anonymer und vertraulicher Anruf beim Psychosozialen Krisendienst ist für viele Menschen der erste Schritt, ihr Leid zur Sprache zu bringen und Hilfe anzunehmen“, betont LRin Fischer, denn: „Es ist in einer scheinbar ausweglosen Situation gut zu wissen, dass jemand da ist, zuhört und sich der Sorgen, Ängste und Probleme annimmt. Allein das kann Hoffnung und Zuversicht geben.“

Seit Beginn des Psychosozialen Krisendienstes im Oktober 2020 wurden insgesamt 2.620 Anrufe verzeichnet, das sind durchschnittlich rund 238 Anrufe im Monat. In 180 Gesprächen davon war Suizid ein Thema, das sind durchschnittlich 16 Anrufe pro Monat. Darin ging es um Suizidgedanken, Suizidabsichten und Suizidversuche von Betroffenen, aber auch um Anrufe von Angehörigen.

Rasche und leicht zugängliche Hilfe

Manchen Menschen fällt es leichter, zum Hörer zu greifen als die nächste Beratungsstelle aufzusuchen. „Durch einen Anruf werden zwar nicht alle Probleme gelöst, aber die Betroffenen oder die Angehörigen erfahren Unterstützung, menschliche Nähe und Zuwendung. Sie werden ermutigt, sich fachlichen Rat zu holen und bestärkt, neuen Lebensmut zu schöpfen“, zeigt LRin Fischer auf.

„Seelische Krisen können Jede und Jeden von uns im Leben treffen. Im schlimmsten Fall kann das bis zum Gedanken, nicht mehr leben zu wollen, führen. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, rasche und leicht zugängliche Hilfe im Krisenfall anzubieten sowie weiterführende Hilfsmaßnahmen einzuleiten“, betont Christian Haring, Obmann vom Verein Suchthilfe Tirol, der gemeinsam mit Karl-Heinz Alber vom Verein Psychosozialer Pflegedienst Tirol (PSP Tirol) das Projekt Psychosozialer Krisendienst durchführt. Der Psychosoziale Krisendienst bietet für alle Menschen in Belastungssituationen eine telefonische Anlaufstelle, mit dem vorrangigen Ziel, in Gesprächen mit PsychotherapeutInnen eine Entlastung und Entschärfung der Krise zu erreichen, von der Deeskalation der akuten Belastung bis zur Erarbeitung von Möglichkeiten und Lösungsschritten.

Professionelle Beratung und Hilfe – an sieben Tagen in der Woche

Die MitarbeiterInnen des Krisendienstes sind von Montag bis Donnerstag 8 bis 20 Uhr, von Freitag 8 Uhr bis Montag 8 Uhr und an Feiertagen ab 8 Uhr für 24 Stunden erreichbar. Am Wochenende rund um die Uhr und an Feiertagen (ab 8 Uhr) ist das Angebot des Psychosozialen Krisendienstes zudem um die Möglichkeit erweitert, betroffene Menschen zu Hause aufzusuchen. „Sobald sich im telefonischen Gespräch zeigt, dass die Situation persönliche Anwesenheit erfordert, stehen nach fachärztlicher Einschätzung psychisch geschultes Fachpersonal – PsychotherapeutInnen zusammen mit psychiatrisch-diplomierten Pflegekräften – für den sofortigen Einsatz bereit. Vor Ort geht es um Deeskalation, Entlastung aller Beteiligten und die Veranlassung nächster Schritte“, berichtet Wolfgang Sparber, Geschäftsführer der Suchthilfe Tirol. Über die telefonische Hilfe in der akuten Krisensituation hinaus gibt der Psychosoziale Krisendienst den Betroffenen und Hilfesuchenden, falls nötig, die nötigen weiterführenden Informationen zu den passenden Versorgungsstrukturen.

 

Erreichbarkeit des Psychosozialen Krisendienstes:

Telefon: 0800 400 120

Montag bis Donnerstag: 8 bis 20 Uhr
Wochenende – von Freitag ab 8 Uhr bis Montag 8 Uhr: rund um die Uhr
Feiertage – ab 8 Uhr: rund um die Uhr


Wie ein Erstkontakt mit dem Psychosozialen Krisendienst aussehen kann, wird im untenstehenden realen Fallbeispiel skizziert:

 

„Ich bin am Ende“

Wenn die seelische Not so groß ist, dass man nicht mehr Ein noch Aus weiß: Der Psychosoziale Krisendienst ist nur einen Anruf entfernt und steht mit Rat und Hilfe bereit.

Maximilian* meldet sich beim Psychosozialen Krisendienst. Aus seiner Stimme ist große Verzweiflung herauszuhören.

Er erzählt der Psychotherapeutin, dass es in seiner Beziehung schon länger Schwierigkeiten gibt und ihn die Unsicherheit, wie es mit seiner Partnerin weitergeht, sehr belastet.

Am Vortag wurde er außerdem von seinem Betrieb, in dem er seit 12 Jahren arbeitet, gekündigt. Er kann sich das nicht erklären, denn er hat immer alles für die Firma getan.

Seit Stunden sitzt er nun daheim, sieht in seinem Leben keinen Sinn mehr und will nur mehr schlafen, das sei wohl das Beste, meint er.

Die Psychotherapeutin spricht Maximilian auf Suizidgedanken an. Er bestätigt, dass er schon einen Plan habe, wie er sich das Leben nehmen wird. Einzig die Tatsache – und das sei auch der Anlass des Anrufes –, dass er zwei Kinder im Alter von fünf und sieben Jahren zurücklassen müsste, lässt ihn immer wieder an seinem Plan zweifeln.

Nach einem langen Gespräch stimmt er schließlich zu, dass die Therapeutin die Rettung kontaktiert und nimmt, als ersten Schritt, eine stationäre Betreuung in Anspruch.

*) Name geändert