Abwasser-Monitoring: Tiroler Pionierleistung für Prognose der Pandemie

Durch Weiterentwicklung zum Frühwarnsystem für andere Krankheiten

  • Abwasser-Monitoring Tirol dient weiterhin der Pandemieentwicklungs-Prognose
  • 98 Prozent des Abwassers aller Menschen in Tirol werden mittels 47 Messpunkten flächendeckend analysiert
  • Durch Weiterentwicklung soll Abwasser-Monitoring auch als Frühwarnsystem für andere Krankheiten dienen

Das SARS-CoV-2-Abwasser-Monitoring Tirol hatte im Mai 2020 den Betrieb aufgenommen und war damals ein österreichweites Pionierprojekt: Durch Probenentnahmen in den Kläranlagen wurde die Messung der Viruslast in den einzelnen Tiroler Regionen mit einem detaillierten wie kontinuierlichen Lagebild möglich. Auf Antrag von Finanzreferent LH Günther Platter und Gesundheitslandesrätin Annette Leja beschloss die Landesregierung kürzlich die Überführung des bislang bestehenden Probebetriebs dieses Covid-Früherkennungssystems in den Regelbetrieb. Dieser soll im Oktober dieses Jahres starten. „Schon jetzt haben die Gerichtsmedizin Innsbruck und das Land Tirol mit diesem Projekt die Vorreiterrolle inne: jedenfalls in Österreich, aber auch im europäischen Umfeld verfolgen internationale Expertinnen und Experten das Tiroler Modell mit großem Interesse. Umso mehr ist es zu begrüßen, dass dieses Erfolgsprojekt nun weiterentwickelt wird“, betonen LH Platter, LRin Leja und der für Wasserwirtschaft und Sicherheit zuständige LHStv Josef Geisler.

„Mit dem SARS-CoV-2-Abwasser-Monitoring Tirol wurde in Österreich Pionierarbeit für eine wissenschaftlich fundierte Prognose der Pandemie-Entwicklung geleistet. In Tirol wurden mittlerweile insgesamt 47 Messpunkte im Einzugsgebiet von 43 Kläranlagen definiert, wo regelmäßig Proben gezogen werden. So wird die Entwicklung praktisch flächendeckend im ganzen Land dokumentiert, nämlich anhand des Abwassers von 98 Prozent aller Menschen, die sich in Tirol aufhalten. Der Einsatz des Abwasser-Monitorings Tirol wird sich nicht auf die aktuelle Corona-Pandemie beschränken. Dieses niederschwellige Frühwarnsystem soll die Tiroler Bevölkerung auch vor anderen auftretenden ansteckenden Krankheiten oder epidemiologischen Szenarien durch ein frühzeitiges landesweites Screening schützen. Das betrifft Hepatitis A, Polio oder auch künftige, neu auftretende Krankheitserreger, die über den Darm ausgeschieden werden“, berichtet LH Platter.

„Dafür soll eine Steuerungsgruppe, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern des Landes Tirol, der Medizinischen Universität Innsbruck - Gerichtliche Medizin und der Tirol Kliniken unter Führung des Landes eingerichtet werden. Nach derzeitiger Einschätzung sind dafür nur geringfügige Adaptionen des Systems erforderlich, während für die Tiroler Bevölkerung sowie deren Gesundheit und Sicherheit ein großer Mehrwert generiert wird“, ergänzt LRin Leja. Die Analyse der Abwasserproben erfolgt unter Leitung von Professor Herbert Oberacher am Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität. „Bei der Auswertung der Daten arbeitet die Wasserwirtschaft des Landes Tirol intensiv mit. Auch die tatkräftige Unterstützung der Tiroler Kläranlagenbetreiber ist ein wichtiger Baustein bei diesem Vorzeigeprojekt“, so LHStv Josef Geisler.

Aus dem Abwasser-Monitoring werden bereits derzeit wichtige Informationen gezogen, die auch für Entscheidungen und Beobachtungen der Landeseinsatzleitung maßgeblich sind. Die Daten werden jedoch nicht isoliert, sondern stets in Verbindung mit weiteren Indikatoren analysiert. Damit konnten die Pandemieentwicklungen oftmals frühzeitig eingeschätzt und entsprechende Vorsorgemaßnahmen getroffen werden – beispielsweise in Form von regionalen Maßnahmen wie Ausreisetestpflichten, deren Notwendigkeit durch die Ergebnisse des Abwasser-Monitorings untermauert wurden.

Für die Finanzierung des bisherigen Testbetriebes stellte das Land Tirol 950.000 Euro zur Verfügung. Damit werden auch jene Kosten abgedeckt, die am Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck für Analysen angefallen sind. Analytische Grundlage des Abwasser-Monitorings ist die an der Gerichtsmedizin durchgeführte Bestimmung der Virus-RNA-Konzentration im Zulauf von Kläranlagen. Die RNA der Coronaviren gelangt über den Stuhl ins Abwasser. Das epidemiologische Früherkennungssystem des Landes sieht außerdem die laufende Untersuchung von Blutproben am Zentralinstitut für Bluttransfusion und Immunologische Abteilung in Innsbruck auf das Vorliegen von Corona-Antikörpern vor. Auch für diese Testungen werden vom Land Kosten übernommen. Nicht zuletzt sind Aufwendungen für die täglichen Modellrechnungen des Instituts für Integrierte Versorgung Tirol zur Vorbereitung von Maßnahmen des Landes abzudecken.


Weitere Informationen zum SARS-CoV-2-Abwasser-Monitoring Tirol: www.tirol.gv.at/covid-abwasser


Erläuterung zur Grafik:
Die Grafik zeigt die Entwicklung für die Summe aller ausgewerteten Tiroler Kläranlagen (neun Kläranlagen in der Aufbauphase ab Anfang September, seit Mitte November 2020 flächendeckender Betrieb mit 43 Kläranlagen). Dargestellt sind der Verlauf der Fallzahlen aus den medizinischen Testungen (rote Linie; aktiv positive Personen) und – anhand der Proben aus den Tiroler Kläranlagen - die zu erwartende Anzahl von SARS-CoV-2-AusscheiderInnen (blaue Linie; fiktive AusscheiderInnen).

In der Regel sind Trends anhand des Abwasser-Monitorings früher erkennbar als aufgrund der medizinischen Testungen. Zwischen den Anzahlen der aktiv Positiven und der fiktiven AusscheiderInnen zeigen sich naturgemäß Abweichungen. Diese sind unter anderem dadurch begründet, dass die Zahl der aktiv Positiven vom Verlauf der Testungen abhängt (Testbereitschaft der Bevölkerung, Ergebnisse der Tests etc.). Außerdem scheidet nicht jede infizierte Person dieselbe Menge an Viren aus. Für die Interpretation der Grafik sind also die klar erkennbaren Trends wichtig, weniger die absolute Höhe der Werte.