Psychosozialer Krisendienst als Tiroler Erfolgsprojekt

0800 400 120 für Menschen in psychischen Krisen und deren Angehörige

  • Seit Beginn rund 8.000 Gespräche – aktuelle Themen sind psychische Probleme, Konflikte im sozialen Nahbereich, Einsamkeit und Corona-Pandemie
  • Mobiler Dienst rückte von 2020 bis 2022 37 Mal aus – durch Bundesförderung nun die gesamte Woche verfügbar
  • Service in kommenden Tagen wesentlich – Weihnachtszeit kann Konflikte und Einsamkeit verstärken

Gerade in der Weihnachtszeit können Konflikte und Einsamkeit vermehrt auftreten. Der Psychosoziale Krisendienst stellt in Tirol für diese und ähnliche Fälle einen „Rettungsanker“ dar. Unter der Nummer 0800 400 120 können sich Menschen in psychischen Krisen sowie deren Angehörige seit 2020 kostenlos und auf Wunsch anonym an PsychotherapeutInnen und/oder psychiatrische Gesundheits- und KrankenpflegerInnen wenden. Die Suchthilfe Tirol betreibt den Krisendienst gemeinsam mit dem PSP Tirol. Insgesamt wurden seit Beginn im Oktober 2020 rund 8.000 Anrufe verzeichnet; das sind durchschnittlich rund 350 Anrufe im Monat. Der mobile Dienst am Wochenende rückte insgesamt 37 Mal aus. Seit Dezember 2022 wird der Psychosoziale Krisendienst – der vom Land Tirol und den Krankenversicherungsträgern finanziert wird – durch eine zusätzliche Bundesförderung um weitere Angebote ergänzt. So ist der mobile Dienst nun die gesamte Woche verfügbar. Zudem haben Betroffene im Anschluss an die Erstversorgung die Möglichkeit auf eine ambulante Kurzzeitpsychotherapie.

„Der Psychosoziale Krisendienst ist für alle Personen da, die sich in einer psychischen Ausnahmesituation befinden. Sich genau dann Hilfe zu holen, ist ein Zeichen von Stärke, jedoch nicht immer ganz einfach. Beim Psychosozialen Krisendienst ist professionelle Unterstützung nur einen Anruf entfernt – die Hürden sind damit möglichst niedrig gesetzt. Dieses Erfolgsrezept macht den Psychosozialen Krisendienst zu einer essentiellen Säule der Tiroler Hilfs- und Unterstützungslandschaft im Bereich der psychischen Gesundheit“, betont LRin Pawlata. LRin Hagele ergänzt: „Zugleich geht das Hilfsangebot des Psychosozialen Krisendienstes über das reine Telefongespräch hinaus. So werden Informationen zu weiterführenden Versorgungsstrukturen vermittelt und es besteht die Möglichkeit des mobilen Dienstes sowie nun auch einer ambulanten Nachfolgetherapie. Damit leistet der Psychosoziale Krisendienst einen wichtigen Beitrag in der Entlastung von Rettungskräften und stationären Einrichtungen.“

„Die psychische Gesundheit der Bevölkerung ist ein zentrales Anliegen der ÖGK. Indem der Psychosoziale Krisendienst rasche und leicht zugängliche Hilfe im Krisenfall und darüber hinaus weiterführende Unterstützungsmaßnahmen anbietet, trägt er wesentlich dazu bei, dass sich in vielen Fällen aus einer psychischen Krise kein psychischer Notfall oder eine chronische psychiatrische Erkrankung entwickelt“, sagt Bernhard Achatz, Vorsitzender des Tiroler Landesstellenausschusses der ÖGK.

2022 rund 350 Gespräche pro Monat

Die Nachfrage am Psychosozialen Krisendienst ist seit Bestehen des Angebots stetig gewachsen. In diesem Jahr wurden bis dato rund 4.000 Telefonkontakte verzeichnet; das entspricht rund 350 Gesprächen im Monat. Im Vorjahr waren es durchschnittlich 280 Gespräche im Monat; die Gesamtanzahl 2021 betrug rund 3.340. In über 40 Prozent der Fälle wandten sich AnruferInnen dieses Jahr aufgrund eines psychischen Problems an den Krisendienst. Rund 20 Prozent der Betroffenen und Angehörigen berichteten über Konflikte im sozialen Nahbereich, zwölf Prozent über Einsamkeit und Kontaktschwierigkeiten und zehn Prozent über Problemlagen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Zum Vergleich: In den ersten Monaten des Bestehens des Krisendienstes wandten sich rund 20 Prozent der AnruferInnen aufgrund der Situation rund um die Auswirkungen der Corona-Pandemie an den Krisendienst: von der Angst vor Ansteckung über Arbeitslosigkeit bis hin zu Kontakteinschränkungen. Suizidalität war 2022 insgesamt rund 330 Mal, also in rund acht Prozent der Fälle, Thema eines Krisengesprächs.

Mobiler Dienst wird auf Werktage ausgeweitet

„Bei Bedarf fahren wir zu den Betroffenen hin. Wir koordinieren uns dabei je nach Anlass und Situation mit den Rettungsdiensten, Ärztinnen und Ärzten oder Sicherheitsorganen. In den vergangenen zwei Jahren konnten dadurch 15 stationäre Aufnahmen vermittelt werden – ohne Einsatz der Rettungskräfte. In 19 Fällen der Krisenintervention konnte eine stationäre Aufnahme verhindert werden“, legt Leo Alber, Geschäftsführer des PSP Tirol, dar.

Im Rahmen des Projektes „Erweiterung Psychosozialer Krisendienst Tirol“ fördert das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz den Psychosozialen Krisendienst mit zusätzlichen 200.000 Euro. Damit kann das Angebot der mobilen Ausfahrten, das zuvor nur an den Wochenenden zur Verfügung stand, auf die Werktage ausgeweitet werden. Innerhalb von maximal 48 Stunden kann ein Team aus zwei Personen Betroffene mobil aufsuchen, vor Ort entlastende Gespräche führen und weiterführende Hilfestellungen organisieren – wenn notwendig unter Einbeziehung des sozialen Umfelds.

Durch die zusätzliche Förderung können Betroffene darüber hinaus im Anschluss an die erste Krisenversorgung bis zu zehn Termine in Kurzzeitpsychotherapie im ambulanten Bereich wahrnehmen. Dieses Angebot ist kostenlos und wird in Kürze in den drei Tiroler Bezirken Innsbruck-Land, Imst und Kufstein zur Verfügung stehen.

Vom Pilotprojekt zum Regelbetrieb

Seinen Ursprung hat der Psychosoziale Krisendienst in der Corona-Sorgen-Hotline des Landes Tirol. Mit 1. Oktober 2020 wurde diese in den Psychosozialen Krisendienst überführt und sollte damit, auch unabhängig von der Pandemie, eine Anlaufstelle für psychische Belastungen und Krisen darstellen. Mit 1. Oktober 2022 überführte die Tiroler Landesregierung den Krisendienst in den Regelbetrieb. Die Finanzierung ist mit 415.000 Euro jährlich gesichert. Drei Viertel der Kosten übernimmt das Land, ein Viertel die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) und die Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS). Die zusätzlichen 200.000 Euro werden ausschließlich vom Bund getragen.

Appell: bei Überforderung Krisendienst nutzen – auch an Weihnachten

In der Advents- und Weihnachtszeit sowie generell an Feiertagen verzeichnet der Psychosoziale Krisendienst erfahrungsgemäß eine höhere Auslastung. „Die Erwartungen nach Harmonie und Eintracht in der Familie, die viele Menschen mit den Feiertagen verbinden, werden oft enttäuscht. Es kommt häufiger zu Auseinandersetzungen und Streit. Auf der anderen Seite ist für viele Menschen die Einsamkeit während der Feiertage schwerer zu ertragen“, berichtet Christian Haring, Obmann der Suchthilfe Tirol und appelliert an Betroffene und Angehörige, sich an den Psychosozialen Krisendienst zu wenden, wenn sie sich überfordert fühlen. „Unterstützende Gespräche können Situationen entschärfen. Durch die Beratung kann zudem geholfen werden, solche belastenden Situationen in Zukunft zu vermeiden.“


Über den Psychosozialen Krisendienst

Der Psychosoziale Krisendienst ist von Montag bis Sonntag jeweils von 8 bis 20 Uhr erreichbar. Neben einer telefonischen Beratung und Unterstützung umfasst das Angebot auch einen mobilen Dienst, der Betroffene vor Ort aufsucht.

Am Telefon kümmern sich die MitarbeiterInnen um eine telefonische Erstabklärung, Gefährdungseinschätzung und Krisenintervention sowie benötigte Weiterbehandlungen. Wenn eine telefonische Deeskalation nicht möglich ist, kann ein Einsatz des Psychosozialen Krisendienstes vor Ort erfolgen.