Euregio-Museumstag - 19. November 2020
PROGETTARE IL FUTURO / DIE ZUKUNFT PLANEN
I musei dell’Euregio di fronte alla sfida Covid 19 / Die Euregio-Museen und die Herausforderung Covid-19
Euregio Museumstag 2020 – Museumstagung einmal anders (aus der Sicht einer Teilnehmerin):
Der Euregio Museumstag am 19. November 2020 wird nicht nur wegen seines neuen Formates – eine Vidoekonferenz – als Reihe von vier Terminen - im Gedächtnis bleiben oder, weil er wegen der Corona-Pandemie digital abgehalten wurde, sondern auch durch seine tief ins Leben jedes Menschen eingreifenden Themen. Es ist ein Museumstag, der uns alle angeht.
Die Kulturabteilung der Autonomen Provinz Trentino als Veranstalter hat den heurigen Euregio - Museumstag als Reihe, bestehend aus der großen Tagung mit den Eröffnungsreden und Fachvorträgen sowie vier zusammengehörigen Workshops über einen Zeitraum von Oktober 2020 bis April 2021, organisiert. Das Tagungsthema umfasst die durch die Corona-Pandemie ausgelösten Herausforderungen für die Museen. Viele Museen haben auf die Einschränkungen bei den Besucherzahlen, die Abstandsregeln und andere Veränderungen sehr geschickt mit einem vermehrten digitalen Angebot reagiert. Die Dimension der Veränderung durch die von Covid-19 bedingte Krise dürfte aber die Gesellschaft grundlegender verändern. Wie können die Museen in Zukunft ihre ursprüngliche Aufgabe der Bewahrung und Vermittlung des kulturellen Erbes erfüllen? In den Eröffnungsreden und in den folgenden Referaten von Luca dal Pozzolo und Anja Grebe wurde die Verantwortung der Museen einerseits und die neuen Chancen andererseits thematisiert.
Wie bisher begann die Fachtagung mit den Reden der Repräsentanten der drei Länder Tirol (AT), Südtirol (IT) und Trentino (IT). Landesrätin Dr.in Beate Palfrader stellte die neue Aufgabe der Museen in den Mittelpunkt: Durch die Covid-19-Pandemie sind viele bisherige Angebote der Museen obsolet geworden. Die neue Situation erfordere neue Konzepte in den Museen. Die Museen müssten auf die Herausforderung reagieren, sich ihrer Verantwortung stellen. Diese Tagung dient dazu neue Konzepte zu entwickeln. Dabei sollen und können die Museen auf den bisherigen Leistungen und Errungenschaften aufbauen, die da wären: Kultur- und Wissensvermittlung, Begegnung und kritische Auseinandersetzung, Pflege der lebendigen Diskussionskultur, grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Die Museen besitzen hohe Glaubwürdigkeit, sind das Gedächtnis der Region und der Motor zur Weiterentwicklung. Dass die Kultur-Landesrätin die Museen mit dieser Anerkennung aber auch gleichzeitig in die Pflicht nimmt, ist offensichtlich. Die Museums-Community ist aufgefordert, neue Wege zu finden und innovative Lösungen anzubieten, um ihre hohen Qualitätsstandards unter den erschwerten Bedingungen durch die Corona-Krise zu bewahren und im Sinne der UNESCO Agenda 2030 weiterzuentwickeln.
Luca dal Pozzolo sprach in seinem Referat „Die Beschleunigung des Wandels. Missionen, Publika und Territorien nach COVID-19“ über wirtschaftliche Aspekte im Museumswesen: Während die 20 größten Museen riesigen Umsatz mit Touristen machen, bleiben die kleinen zurück. Die Schäden an den Kulturgütern, die durch den Massentourismus entstehen, hat man bisher zu sehr verdrängt. Eines der Hauptprobleme, dass zu viel auf Quantität statt auf Qualität gesetzt wird, wurde durch die Covid-Krise deutlicher sichtbar denn je. Wenn nur mehr 10% der Besucher zugelassen werden, sind die vorhandenen, auf Masse ausgelegten, teuren Strukturen obsolet. Wenn wegen der fehlenden Einnahmen nach der Pandemie 30% der Museen nicht mehr öffnen können, gerät das kulturelle Erbe in Gefahr. Ausgeschlossen vom kulturellen Erbe blieben bisher Menschen, die nicht ins Museum kommen können, sei es wegen zu großer Entfernung, zu hohen Kosten oder, weil es zu zeitaufwendig ist. Große Chancen würden für die Museen in digitalen Strategien stecken. Dass diese gratis sein sollen, verneint der Referent, lässt aber eine Obergrenze durchblicken. Laut einer Umfrage seien die Menschen bereit maximal 6 € für digitale Beiträge zu bezahlen. Interesse würde laut Umfrage der Blick hinter die Kulissen wecken, z.B. Informationen, wie eine Ausstellung organisiert wird. Luca dal Pozzolo bot vier Möglichkeiten für neue Strategien im Museum an: 1) ausgehend von der eigenen Sammlung wissenswerte Inhalte sowohl digital als auch real vermitteln, 2) Bindungen zu den Menschen in der Region vertiefen, z.B. Die Museen von Bergamo haben Möglichkeiten zum Austausch über Trauer angeboten, Sammlungserweiterung durch Kunstwerke von regionalen Künstler*innen zum Thema Covid, Formate für Schulen usw. 3) Interdisziplinär arbeiten, z.B. im Kontext mit Archäologie ägyptische Musik anbieten. 4) das Verhältnis Museum und „Well-Beeing“ stärken. Gemeint ist, dass im Museum eine Atmosphäre herrschen soll, in der sich Besucher*innen wohl fühlen, quasi das Museum als Ort empfinden, den man gerne aufsucht.
Auch Anja Grebe spricht sich in ihrem Referat „Von der Quarantäne zu einer neuen Vision für Museen nach COVID“ für digitale Angebote aus. Bezüglich der Strategien stimmte sie mit ihrem Vorredner weitgehend überein. Schließlich seien die Museen niemals für diesen Massenansturm gebaut worden. Sie stellt eine Preiserhöhung als Maßnahme gegen den aus konservatorischer Sicht höchst bedenklichen Besucheransturm im KHM, im Schloss Ambras oder in den Museen von Florenz zur Diskussion. Als Verfasserin dieses Berichtes erlaube ich mir einzuwenden, dass die Preise in den Vatikanischen Museen exorbitant hoch sind und sich trotzdem der Besucherstrom dicht gedrängt durch die Ausstellungssäle schiebt. Überhöhte Preise stehen außerdem der UNESCO-Agenda 2030 Carta auf chancengerechte und hochwertige Bildung für alle Menschen entgegen. Mit einer Reihe von Praxistipps, z.B. zur Ermittlung der Zugriffszahlen auf die Homepage mittels google.analytics, gibt sie den Kollegen und Kolleginnen zu Hause an den Bildschirmen wertvolle Hilfen für ihre Museumsarbeit.
Welche Funktionen werden Museen künftig erfüllen? In den folgenden Veranstaltungen des Euregio-Museumtages werden von den Teilnehmern der Fachtagung Vorschläge erarbeitet: Ziel ist die Entwicklung einer neuen Mission der Museen auf Basis der Ziele der Agenda 2030. Wie man einer nachhaltigen Entwicklung unter den gegebenen Umständen gerecht werden könnte, wurde in den beiden Referaten von Anja Grebe und Luca dal Pozzolo angerissen. Die Tagungsteilnehmer*innen (Museumsleiter*innen, Museumsmitarbeiter*innen und die in der Museumsberatung tätigen Fachkräfte) aus Tirol, Südtirol und Trentino werden die Problematik ungeachtet der Sprachbarriere Deutsch-Italienisch mit Hilfe der zweisprachigen Koordinator*innen in den online-Sitzungen der Kleingruppen unter vier verschiedenen Gesichtspunkten - Umwelt und Resilienz, Wohlstand und Lebensgemeinschaften, Wissen und Können, Inklusion und Partizipation - diskutieren. Das Ergebnis dieser Tagung wird ein Entwurf für eine Carta der Kulturpolitik sein (Dr. Claudio Martinelli, Vorstand der Kulturabteilung, Autonomen Provinz Trient).
[Sylvia Mader]