Euregio-Museumstag - 28. September 2022
MUSEEN UND DAS BAUKULTURELLE ERBE
Kultursaal Heinfels und Burg Heinfels, am 28. September 2022
Der Euregio-Museumstag 2022 aus der Teilnehmer-Perspektive:
Fünfmal hat der 2010 ins Leben gerufene Euregio-Museumstag nun schon im Bundesland Tirol stattgefunden. Heuer diskutierten 130 Museumsfachleute aus Tirol, Südtirol und Trentino über die Rolle der Museen im Zusammenhang mit dem baukulturellen Erbe. Das Thema betrifft die meisten von uns und wendet sich in erster Linie an die Regionalmuseen, da Museen ansich die ideale Nachnutzung für denkmalgeschützte Gebäude darstellen. Wie immer ging es auch um die Stärkung der Kulturregion Tirol, um die Zusammenarbeit der drei Kultur-Regionen der ehemaligen Grafschaft Tirol und um die Vernetzung der Museen diesseits und jenseits des Alpenhauptkammes. Die Referierenden stellten Museumsprojekte vor, die sich dem Tagungsthema widmeten.
In Vertretung von Tirols Kulturlandesrätin Beate Palfrader, die leider krankheitsbedingt nicht am Euregio-Museumstag 2022 teilnehmen konnte, überbrachte Melanie Wiener, stellvertretende Leiterin der Abteilung Kultur, die Grußworte des Landes Tirol. Seitens der Autonomen Provinz Südtirol hielt Landeshauptmann und Museumsreferent Arno Kompatscher die Begrüßungsrede und für die Autonome Provinz Trient Armando Tomasi, Direktor des Trentiner Volkskunstmuseums von San Michele all'Adige, in Vertretung von Landesrat Mirko Bisesti.
Quasi als Keynote-Speaker nahm der Gast aus dem Nachbarland, Andreas Rudigier, Direktor des „voralberg museums“, in seiner bekannt humorigen, pointierten Art den Umbau seines Museums kritisch unter die Lupe. Wir alle kennen die moderne Fassade des "vorarlberg museums". Von hier aus betritt der Besucher/die Besucherin das Museum. Die schöne historische Treppe, die als baukulturelles Erbe selbstverständlich saniert und restauriert wurde, dient nun als Personalzugang – womit nicht nur der Titel des Referates „Wenn die Treppe zum Witz wird“ erklärt, sondern auch das architektonische Konzept hinterfragt ist. Andreas Rudigier betonte außerdem die hohe Konzentration verschiedener Kompetenzen in den Regionalmuseen. Er kennt die Szene, bezieht seine Erfahrungen aus eigener beruflicher Tätigkeit in Regionalmuseen und als Denkmalpfleger. Auf die anregenden Gedanken, die wir „mitnehmen“ konnten, kann hier leider nicht eingegangen werden.
Die Auseinandersetzung von Objekt und Mensch, Gegenwart und Vergangenheit, immateriellem und materiellem (Bau-)Kulturerbe lässt sich am besten anhand der Südtiroler-Siedlung in Reutte festmachen. Wer von den nicht-italienischsprachigen Südtirolernanlässlich des von den Nationalsozialisten im Einvernehmen mit den Faschisten initiierten Umsiedlungsprogamms, bekannt als die „Option in Südtirol“, den Entschluss fasste, Verwandtschaft, Hof und vertraute Umgebung in Südtirol zu verlassen, landete in einer dieser eigens dafür hastig errichteten Wohnsiedlungen im Deutschen Reich, so z.B. auch in Reutte. Das „Museum im Grünen Haus“ hat mit Partnern in der Südtiroler-Siedlung in Reutte eine der Wohnungen restauriert und öffentlich zugänglich gemacht. Hier wurde baukulturelles Erbe mit hoher Sensibilität zum Erfahrungsraum einer problematischen Epoche, wie die Museumsleiterin Birgit Maier-Ihrenberger überzeugend geschildert hat.
Ein Projekt, das ohne Zweifel eine kritische Herangehensweise erfordert, ist die Restaurierung der Fortifikationsanlagen im Hochgebirge. Das Museo Storico Italiano della Guerra in Rovereto hat schon im Gedenkjahr 2018 eine wichtige Rolle gespielt. Die Euregio-Museumstagung 2018 hat uns vor Augen geführt, wie verschieden die Blicke aus Italien und Österreich auf dasselbe Ereignis sind. Die italienischen Helden galten in Österreich als Kriegsverbrecher und umgekehrt. Damals hat man die Wehrbauten aus der Zeit von 1860 – 1915 restauriert. Heuer, vier Jahre später, berichtet uns Francesco Frizzera von der Herausforderung die Ergebnisse der Restaurierung langfristig zu erhalten und zu bespielen. Auch Kriegsanlagen gehören zum baukulturellen Erbe. Hier wurde für eine Fallstudie in den Jahren 2000-2020 auf 144 km² hochalpinem Gelände auf ca. 3.300 m Höhe viel Geld investiert. Wer betreut nun diese Objekte? Die Kompetenz und die personellen Ressourcen der Museen sind gerade in diesem Fall unverzichtbar.
Erschütternde Verluste an bäuerlicher Bausubstanz ebenso wie die Erfolge ihrer Rettung dokumentiert die Kartierung in Gröden. Paulina Moroder erläuterte am Beispiel des Museums Gherdëina in St. Ulrich in Gröden, was ein Museum dazu beitragen kann, um den agrarischen Baudenkmälern Leben einzuhauchen und sie an die Bevölkerung zu vermitteln. Gleichzeitig rückte durch dieses Projekt und den Tagungsbeitrag das kulturelle Erbe der ladinischen Minderheit wieder mehr in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit.
Dass es gelingen kann, ein so kompliziertes Projekt wie Burg Heinfels (Grundsanierung und Nutzungskonzept) zu planen, zu managen und in einem kurzen Referat für das Publikum aus einer völlig anderen Disziplin verständlich darzustellen, kann nicht genug bewundert werden. Mit einer hervorragend aufbereiteten Power-Point-Präsentation führte Landeskonservator Walter Hauser uns in die hohe Kunst der Denkmalpflege am Beispiel der Burg Heinfels ein. Ein Baudenkmal, das im Zentrum aus einer Ruine besteht, um die sich intakte und ruinöse Bereiche gliedern, wurde/wird als Burg, als Ruine, als Museum und (künftig) auch als Hotel zu neuem Leben erweckt, wobei die Schnittstellen zwischen Restaurieren, Konservieren und Rekonstruieren am Objekt und im Vortrag klar kommuniziert wurden. (Besichtigung empfohlen!)
Mit Heinfels wurde einer der schönsten Tagungsorte für den Euregio-Museumstag 2022 gewählt. Nicht nur die Lokalität auch das Programm zeugte von hoher Qualität. Beides und die perfekte Organisation trugen zum Gelingen der Veranstaltung bei. Dieser Museumstag wird sicher vielen von uns als hochkarätige, bereichernde und kollegial verbindende, harmonische und auch kulinarisch bemerkenswerte Tagung in Erinnerung bleiben, was nicht nur den Vortragenden, sondern auch der professionellen Moderation von Christian Waltl, Osttiroler Kulturnetzwerk, und der bewährten Organisation von Rath & Winkler, Projekte für Museum und Bildung, zu verdanken ist.
Im Zuge des Museumstags in Heinfels wurde sowohl die „Euregio-Museumscharta“ an die Teilnehmende verteilt als auch der Abschlussbericht zum Euregio-Museumsjahr 2021. „Museum bewegt“ – Eine Publikation „Euregio-Museumsjahr 2021 – Rückblick“, herausgegeben von der Europaregion-Tirol-Südtirol-Trentino, die alle Ausstellungen und Projekte sowie die Bewerbung der länderübergreifenden Initiative zum Thema „Transit, Transport und Mobilität“ kurz vorstellt.
Das Euregio-Museumsjahr 2025 wird sich um Michael Gaismair (Hinrichtung † 9. Mai 1525) und die Bauernaufstände für mehr soziale Gerechtigkeit drehen.
[Sylvia Mader ]