Archivglossar - B
Besitzwechselgebühren
Besitzwechselgebühren oder Besitzänderungsgebühren sind ein moderner Sammelbegriff für das, was in den Quellen Anlait, Auf- und Abzug, Laudemium, mitunter Geding und auch Ehrung genannt wurde und an die Grundherrschaft zu zahlen war. Wechselte bei einem Hof oder einem Grundstück, der oder das grundherrschaftlich gebunden war, durch Erbgang oder Veräußerung der nutzungsberechtigte Besitzer, der Grundholde, so hatte der neue Besitzer der Grundherrschaft zwecks Anerkennung ihrer Rechte eine Anlait usw. zu leisten. Das war oft ein zusätzlicher, also doppelter Grundzins, seit dem Spätmittelalter war es meist ein bestimmter Prozentsatz vom Verkehrs- oder Verkaufswert der betreffenden Liegenschaft. Derartige Zahlungen sind ein deutliches Indiz für verbesserte und sichere Besitzrechte der Bauern gegenüber ihren Grundherrschaften, das zuerst das Vererben auf die Nachkommen und dann auch das Veräußern grundherrschaftlicher gebundener Liegenschaften an nichtverwandte Käufer als rechtliches Faktum dokumentiert. Beim Erbbaurecht, der dominierenden grundherrschaftlichen Grundleihe bzw. dem vorherrschenden bäuerlichen Besitzrecht im heutigen Nordtirol und Südtirol, wurde der Auf- und Abzug durch die Tiroler Landesordnungen im 16. Jahrhundert gesetzlich geregelt: Wurden Baurechtsgüter unter Verwandten weitergegeben, war es unzulässig, eine Besitzwechselgebühr zu verlangen, ebenso bei Veräußerungen an Nichtverwandte, wenn der Liegenschaftswert unter 50 Gulden lag. Bei Veräußerungen an Nichtverwandte waren 3,33 Prozent des Kaufpreises (bei Kaufpreis von 50 bis 100 Gulden) bzw. 1,6 Prozent (bei Kaufpreis ab 100 Gulden) an Auf- und Abzug an die Grundherrschaft zu bezahlen. Im südöstlichen Tirol, im Pustertal, Raum Lienz und Iselregion, konnte das Erbbaurecht das ältere und daher prekäre Besitzrecht, die Freistift, nicht verdrängen. In der Praxis näherte sich das Freistiftrecht zwar dem Erbbaurecht an, dafür bürgerten sich recht hohe Besitzwechselgebühren ein. In der Herrschaft Lienz zum Beispiel musste, selbst wenn ein Freistiftgut vom Vater auf den Sohn vererbt wurde, 5 Prozent des Gutswertes als Ehrung an die Grundherrschaft entrichtet werden.
Bezirksamt
Die Gemischten Bezirksämter, so die volle Bezeichnung, waren in Tirol und Vorarlberg zwischen 1854 und 1868 in Nachfolge der Landgerichte (die Existenz der 1850 eingerichteten Bezirksgerichte und Bezirkshauptmannschaften war nur von kurzer Dauer) staatliche Verwaltungs- und Justizbehörden erster Instanz in einem, wobei innerhalb der Behörde Verwaltung und Justiz organisatorisch weitgehend getrennt waren. Die Bezirksämter waren, als auf unterer staatlicher Ebene Justiz und Verwaltung 1868 getrennt wurden, die direkten Vorläufer der Bezirksgerichte und der Bezirkshauptmannschaften.
Bezirksgericht
Nach einem Intermezzo von 1850 bis 1854 wurden in der österreichischen Reichshälfte 1868 Justiz und Verwaltung auch auf unterster staatlicher Ebene getrennt. Die damals errichteten Bezirksgerichte übernahmen die Sprengel der Gemischten Bezirksämter und einen Teil von deren Aufgaben. Das Bezirksgericht war und ist Zivil- und Strafgericht erster Instanz. Im Zivilverfahren befindet das Bezirksgericht über Klagen bis zu einer bestimmten Wertgrenze (derzeit bis Euro 10.000); weiters ist es Exekutionsgericht erster Instanz sowie erste Instanz im Außerstreitverfahren (z.B. einvernehmliche Scheidung, Unterhalt Minderjähriger, Sachwalterschaft, Verlassenschaftssachen, Führung des Grundbuches). Im Strafverfahren entscheidet ein Einzelrichter am Bezirksgericht über die meisten Delikte mit einer Strafandrohung bis zu einem Jahr. Im Zivilverfahren geht die Berufung, im Außerstreitverfahren der Rekurs und im Strafverfahren die Berufung an das zuständige Landesgericht.
Bezirkshauptmannschaft
Beim Übergang der Habsburger Monarchie zum konstitutionellen Rechtsstaat wurden in der österreichischen Reichshälfte auch auf unterer Ebene Justiz und Verwaltung getrennt. Aus den Gemischten Bezirksämtern gingen 1868 einerseits als Verwaltungsbehörden die Bezirkshauptmannschaften, andererseits als Justizbehörden die Bezirksgerichte hervor. Die monokratisch organisierten Bezirkshauptmannschaften, die auch Agenden der aufgelösten Kreisregierungen übernahmen, waren als Organe der inneren (politischen) Verwaltung staatliche (k. k.) Behörden und unterstanden - in den Kronländern Tirol und Vorarlberg - unmittelbar dem Statthalter in Innsbruck. Die Grafschaft Tirol zählte 1918 23 Bezirkshauptmannschaften. Innsbruck, Bozen, Trient und Rovereto waren Städte mit eigenem Statut und somit zugleich Bezirksverwaltungsbehörden. Das Bundesland Tirol hatte und hat acht Bezirkshauptmannschaften. Innsbruck ist als Stadt mit eigenem Statut weiterhin Bezirksverwaltungsbehörde. Seit 1925 gelten die Bezirkshauptmannschaften als Landesbehörden.
Burgfrieden
Die Burg und ihre nächste Umgebung, der Burgfrieden, bildeten im Mittelalter einen eigenen Rechtsbereich. Daher hat sich bei manchen Burgen bis an die Schwelle des 19. Jahrhunderts eine mit ihnen verbundene Gerichtsbarkeit gehalten, die aber mehr oder weniger durch das umliegende und benachbarte (Land)gericht eingeschränkt war. Meist war die Gerichtsbarkeit innerhalb des Burgfriedens auf die außerstreitige eingegrenzt, wobei sich diese auch auf grundherrlich gebundene Liegenschaften außerhalb des Burgfriedens erstrecken konnte. Das erklärt das Führen von Verfachbüchern durch die Inhaber von Burgfrieden