Archivglossar - H
Heimatrecht
Das Heimatrecht, worunter die Zugehörigkeit einer Person zu einer bestimmten Gemeinde verstanden wurde, war eng verknüpft mit dem sich im 19. Jahrhundert entwickelnden Gemeinderecht und dem Staatsbürgerschaftsrecht. Zunächst regelten mangels eines einheitlichen Untertanen-bzw. Staatsbürgerschaftsverbandes nur subsidiär geltende gesetzliche Bestimmungen das Heimatrecht. Zwingend eingeführt wurde es durch das Provisorische Gemeindegesetz von 1849, endgültig geregelt durch das Reichsgesetz vom 3.12.1863 (Heimatrechtsgesetz). Demnach gewährte das Heimatrecht einer Person das Recht des ungestörten Aufenthaltes und den Anspruch auf Armenversorgung in jener Gemeinde, deren Heimatrecht sie besaß. Überdies bedingten sich Heimatrecht und Staatsbürgerschaftsrecht gegenseitig: Nur österreichische Staatsbürger konnten das Heimatrecht in einer österreichischen Gemeinde erwerben, umgekehrt sollte jeder österreichische Staatsbürger das Heimatrecht in einer österreichischen Gemeinde besitzen. Es sollte keine „heimatlosen“ Staatbürger geben. Erworben wurde das Heimatrecht durch Abstammung (die ehelich geborenen Kinder erhielten das Heimatrecht des Vaters, unehelich geborene das ihrer Mutter), durch Verheiratung (die Ehefrau übernahm das Heimatrecht ihres Gatten), durch Erlangung eines öffentlichen Amtes und durch Aufnahme in den Heimatverband einer Gemeinde. Gemäß Heimatrechtsnovelle 1896 konnte eine Gemeinde einem österreichischen Staatsbürger, der 10 Jahre ununterbrochen sich dort aufgehalten hatte, die Verleihung des Heimatrechts nicht versagen. Das Heimatrecht, das sich angesichts der zunehmenden geographischen und beruflichen Mobilität der Menschen als immer problematischer erwies, wurde in die Rechtsordnung der Ersten Republik übernommen. Unter dem Nationalsozialismus wurde das Heimatrecht durch die Einführung des deutschen Fürsorgerechts im September 1938 seines wesentlichen Inhalts, des Anspruchs auf Armenversorgung und ungestörten Aufenthalts in der Heimatgemeinde, beraubt. Die 2. Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit im Lande Österreich vom 30.6.1939 beseitigte das Heimatrecht, das auch die Zweite Republik nicht wieder aufleben ließ. Mangels ausreichender Staatsbürgerevidenzen waren die von den Gemeinden bis 1939 geführten Heimatrollen, Verzeichnisse der in der Gemeinde Heimatberechtigten, und die auf dieser Grundlage von den Gemeinden ausgestellten Heimatscheine noch viele Jahre nach dem Zweiten Weltkriegdie wichtigsten Beweismittel für die Anerkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft.
Heimatrolle
Das Heimatrecht basierte in der österreichischen Reichshälfte der Monarchie auf dem Heimatrechtsgesetz von 1863 (RGBl. 105/1863). In der Republik Österreich wurde es 1925 und 1928 novelliert (BGBl. 286/1925 und BGBl. 355/1928). Mit der Heimatrechtsnovelle 1928 wurden die Gemeinden verpflichtet, über ihre Heimatberechtigten ein Verzeichnis (Heimatrolle) zu führen. Mit Verordnung vom 4. Juli 1929 wurden die Gemeinden konkret angehalten, bis zum 30. Juni 1930 ein Verzeichnis ihrer Heimatberechtigten anzulegen und es fortlaufend zu führen. Dieses Verzeichnis oder diese Heimatrolle hatte jeweils zu enthalten: 1. Personenstandsangaben, 2. Beruf, 3. Wohnort, 4. Abstammung, 5. Begründung des Heimatrechts, 6. Erwerbsdatum des Heimatrechts. Das österreichische Heimatrecht trat, wie oben angegeben, 1939 gesetzlich außer Kraft.
Heimatwehr
Die Heimwehr, in Tirol war dafür die Bezeichnung Heimatwehr gebräuchlich, war eine typische Erscheinung der Zwischenkriegszeit in Österreich. Wie ihr Konkurrent, der 1923 gegründete Republikanische Schutzbund der Sozialdemokraten, war die Heimwehr ein das staatliche Gewaltmonopol unterlaufender Wehrverband, eine zivile, paramilitärisch aufgebaute Organisation mit politischen und ideologischen Zielsetzungen. Allein die Existenz solcher Wehrverbände, auf der Rechten die Heimwehr, auf der Linken der Republikanische Schutzbund, beide rüstend und sich vorbereitend auf den Ausnahmezustand, verdeutlichen, wie tief die Kluft zwischen den politischen Lagern in der Ersten Republik gewesen ist. Bis in die späten 20-er Jahre war Tirol einer der Kristallisationspunkte der Heimwehr. Die Tiroler Heimatwehr wurzelte in der kurz nach Kriegsende, im November 1918, aufgestellten Innsbrucker Bürgerwehr und in den vielerorts ins Leben gerufenen Volks- und Bürgerwehren, die Stadt und Land vor Übergriffen der von der Südfront zurückflutenden Soldaten schützen sollten. Offiziell gegründet wurde die Heimatwehr im Mai 1920, rechtlich als Verein unter dem Namen "Selbstschutzverband Tirol". Von Anfang an wurde sie von einem Politiker der Tiroler Volkspartei, dem Rechtsanwalt Dr. Richard Steidle, als Landesleiter geführt. Erste Versuche, die diversen Selbst- und Heimatschutzverbände in den Bundesländern organisatorisch zu bündeln, gehen bis in die frühen 20-er Jahre zurück. 1923 fanden sich die Heimwehren Vorarlbergs, Tirols, Salzburgs, Oberösterreichs und Kärntens zu einem losen Verband, der "Vereinigung der alpenländischen Selbstschutzverbände", kurz "Alpenklub" genannt, zusammen, den ebenfalls Steidle präsidierte und dem sich in der Folge die Heimwehren der übrigen Bundesländer anschlossen. Im September 1930 wurde Steidle an der Spitze der österreichischen Heimwehr von Ernst Rüdiger Fürst von Starhemberg als Bundesführer abgelöst. Eine stramme Parteiarmee der Christdemokraten ist die Heimwehr niemals gewesen, auch nicht die Heimatwehr in Tirol, weil sie das gesamte "bürgerliche", auch das deutsch-nationale Spektrum, abzudecken suchte. Innerlich zerstritten, von Rechtsabweicherlern Richtung Nationalsozialismus geschwächt, geriet die Heimwehr zusehends in das faschistische Fahrwasser und suchte ihre eigene Politik zu verfolgen, die sich auch zu Putschaktionen gegen christdemokratische Landesregierungen hinreißen ließ. Am 10. Oktober 1936 wurde die österreichische Heimwehr, die bereits viel an Kraft und Einfluss verloren hatte und als schwer kalkulierbarer innenpolitischer Faktor lästig geworden war, aufgelöst.
Hofrat
1563 erhielten die Grafschaft Tirol und die Vorlande mit Erzherzog Ferdinand II. (1529-1595) nach gut sieben Jahrzehnten wieder einen eigenen Landesfürsten aus dem Hause Habsburg. In Form des Hofrates installierte Ferdinand eine oberste Instanz, der die Regierung und die Kammer in Innsbruck unterstellt wurden. Mit dem Tod Ferdinands stellte der Hofrat seine Arbeit ein. Der zu Beginn des 17. Jahrhunderts eingerichtete Geheime Rat in Innsbruck ist dem Hofrat nachgebildet.