Familiengeschichte
Seit Dezember 2015 stellt das Tiroler Landesarchiv der genealogischen Forschung die Matriken (Personenstandsbücher) der katholischen Pfarren des Bundeslandes Tirol (Diözese Innsbruck, Tiroler Anteil der Erzdiözese Salzburg) sowie der Evangelischen Pfarrgemeinde A. B. und H. B. Innsbruck - Christuskirche online zur Verfügung (Matriken Tirol Online). Die Digitalisate basieren vor allem auf den Mikrofilmen der Kirchenbücher des Tiroler Landesarchivs, die seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden sind. Die Matrikenbücher der Evangelischen Pfarre wurden 2016 digitalisiert.
Erst seit 1939 ist es in Österreich Aufgabe staatlicher Institutionen, nämlich der Standesämter, Geburt, Verehelichung und Tod von Personen in den Personenstandsbüchern zu dokumentieren. Bis 1939 hatten die staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften, ab dem späten 18. Jahrhundert im Auftrag des Staates, diese Aufgabe wahrgenommen. In Tirol, das noch in der Zwischenkriegszeit einen übermächtigen Anteil an Katholiken hatte, sind die katholischen Matrikenbücher als genealogische Quelle von besonderem Interesse.
Viele Interessierte, die ihre Vorfahren in Tirol vermuten, hoffen in den Beständen des Tiroler Landesarchivs eine fertige Stammtafel vorzufinden. Nachforschungen sind aber nur möglich, wenn der genaue Ort bekannt ist, wo Taufe, Trauung oder Begräbnis eines Vorfahren stattgefunden haben. Wenn sich der Familienname auf ein bestimmtes Gebiet eingrenzen lässt, können die entsprechenden Kirchenmatriken online durchgesehen werden. Bis ins 18. Jahrhundert zurück gibt es in den Kirchenbüchern meist Namensregister, die eine Auffindung der gesuchten Vorfahren erleichtern. Am besten arbeitet man sich von Generation zu Generation zurück, was mit Hilfe der Trauungsbücher am raschesten möglich ist.
Die Einschau in die Kirchenmatriken ist durch das Personenstandsgesetz und die kirchlichen Bestimmungen für die Benützung von Pfarrarchiven (Schutzfrist von 100 Jahren) geregelt. Über alle in Tirol erhaltenen katholischen Matriken informiert Sie Band 17 unserer Publikationsreihe Tiroler Geschichtsquellen. Auch die anderen Bände dieser Reihe sind für die Namensforschung sehr hilfreich, da von vielen Kleinarchiven (Gemeindearchiven) systematisch alle Personennamen erfasst werden.
Bevor die zeitaufwendige Familienforschung beginnt, sollte die methodische Vorgangsweise überlegt werden, ob eine Ahnentafel, eine Stammtafel oder eine Stammreihe das Arbeitsziel ist. Gehen wir z.B. von einem "berühmten" Urahnen oder dem ersten Haus- und Hofbesitzer aus, um unsere Herkunft abzuleiten, so geraten wir bald in die weiten Verzweigungen von mutmaßlichen Nachfahren. Diese Art der Familienforschung ist schwierig, weil schon nach vier oder fünf Generationen fast unmöglich alle Nachfahren lückenlos erfasst werden können. Die Zahl der Abkömmlinge hängt ja von Zufällen wie Kindersegen, Sterblichkeit, Ehelosigkeit, Krankheit und frühem Tod ab. Wegen Einheirat, Änderung des Mädchennamens, Abwanderung von Weichenden und Überlieferungslücken können wir die Kindeskinder eines Stammvaters, der vor 200 Jahren lebte, mit Sicherheit nicht vollständig erfassen. Leichter für unsere genealogische Forschung ist die Erstellung einer Ahnentafel. Denn hier können wir mit mathematischer Sicherheit sagen, wie viele direkte Vorfahren in jeder Generation lebten. Bekanntlich verdoppeln sich die Vorfahren in jeder Generation: Ein Elternpaar, 4 Großeltern, 8 Urgroßeltern, 16 Ururgroßeltern usw. Schon sechs Generationen zurück haben wir er mit 126 unmittelbaren Vorfahren zu tun. Rein rechnerisch ergeben 12 Generationen 8190 Vorfahren, die ca. 360 bis 400 Jahre zurückreichen, was in etwa dem Beginn der Matrikenführung um 1600 entspricht. Viele Familienforscher bescheiden sich mit dem Erstellen einer Stammtafel. Aufgelistet werden alle Mitglieder einer Familie, die von einer Person in direkter Linie abstammen und denselben Familiennamen tragen. Erfasst werden in jeder Generation die Männer mit ihren Ehefrauen und ihren Kindern, bei den Töchtern allerdings nur die Ehepartner und nicht deren eheliche Nachkommen (die ja einen anderen Namen tragen). Die meisten Familienforschenden konzentrieren sich - da für die Stammtafel, geschweige denn für die Ahnentafel Unmengen von Daten erhoben werden müssen - auf die Rekonstruktion der Ahnenlinie in Form einer Stammreihe. In der Regel ist es der den Familiennamen weitergebende Mannesstamm, der hier erforscht wird, also für jede Generation das jeweilige Stammelternpaar. Selbst solche Recherchen bringen ein Arbeitspensum mit sich, das sicher nicht mit einer einzigen Onlinerecherche zu erledigen sein wird.
Das Tiroler Landesarchiv stellt für genealogische Forschungen die Quellen zur Verfügung, u.a. online die Kirchenmatriken der katholischen Pfarren und der Evangelischen Pfarrgemeinde A. B. und H. B. Innsbruck -Christuskirche des Bundeslandes Tirol. Es führt aber - das ist in diesem Zusammenhang ausdrücklich festzuhalten - keine familiengeschichtlichen Recherchen durch.
Die Digitalisate der Mikrofilme der katholischen Südtiroler Kirchenbücher für den Zeitraum von 1565 bis 1923 sind seit März 2022 online zugänglich. Die entsprechenden Verfilmungen für die Pfarren des Erzbistums Trient befinden sich im Archivio Diocesano Tridentino. Was die Geburtsregister des Trentino betrifft, existiert auch die Datenbank "Nati in Trentino 1815-1923".
Tausende Namen: 1940/41 wurden in Tirol und Vorarlberg alle damals vorkommenden Familiennamen erhoben.
Interessante methodische Anleitungen zur Haus- und Familiengeschichte und deren Quellen finden sich auf den Internet-Seiten des Österreichischen Staatsarchivs und auf den Internet-Seiten des Oberösterreichischen Landesarchivs. Ein nützlicher Leitfaden sind die folgenden Publikationen: Eckart Henning und Wolfgang Ribbe (Hg.), Taschenbuch für Familiengeschichtsforschung, Insingen 2006 (13. Auflage). Kerstin Hederer und Robert Kluger, Tipps für Familienforscher in Österreich (Schriftenreihe der Diözesanarchive Österreichs 1), Salzburg 2005. Helmut Ivo, Familienforschung leicht gemacht. Anleitungen, Methoden, Tipps (Piper 4606), München u.a. 2010 (5. Auflage). In den Kirchenmatriken und anderen alten schriftlichen Aufzeichnungen begegnen einem immer wieder deutsche und lateinische Wörter, von denen man nicht weiß, was sie bedeuten. Hier hilft ein zweckdienliches Nachschlagewerk weiter: Reinhard Riepl, Wörterbuch zur Familien- und Heimatforschung in Bayern und Österreich, Waldkraiburg 2009 (3. Auflage). Praktische "Genealogische Tipps für Anfänger" gibt im Internet beispielsweise auch Günter Ofner.
Literaturhinweise:
Rudolf Granichstaedten-Czerva, Bibliographische Quellen zur Tiroler Familienforschung, Görlitz 1939.
Karl Finsterwalder, Tiroler Familiennamenkunde (Schlern-Schriften 284), Innsbruck 1994 (2. Nachdruck der 2. erweiterten Auflage von 1978).
Wilfried Beimrohr, Die Matriken (Personenstandsbücher) der Diözese Innsbruck und des Tiroler Anteils und der Erzdiözese Salzburg (Tiroler Geschichtsquellen Nr. 17), Innsbruck 1987.
Wilfried Beimrohr, Familienforschung in Tirol, in: Tiroler Chronist 36 (1989), S. 7-21.