Familienwappen
Die Nachfrage ist groß, das Angebot begrenzt, wenn das Familienwappen unter den Gesetzen des Marktes betrachtet wird. In Österreich wurde ihm mit dem Adelsaufhebungsgesetz vom Jahre 1919 der Garaus gemacht. Streng genommen ist in Österreich seit damals das Führen von Adels- oder Familienwappen verboten. Der republikanische Gesetzgeber sah irrtümlich auch in den Wappen bürgerlicher Familien Insignien des Adels und schaffte sie zusammen mit den Adelswappen und Adelstiteln ab. Die Praxis zeigt sich milder, aber an einem ist nicht zu rütteln: Im Gegensatz zu den Wappen der Gebietskörperschaften - Republik Österreich, Bundesländer und Gemeinden - genießt das Familienwappen keinen wie immer gearteten gesetzlichen Schutz. Damit ist dem irrtümlichen oder bewussten Missbrauch von Familienwappen, die gleichsam als solche ausgegraben und entdeckt werden, Tür und Tor geöffnet.
Bevor leichtfertig alte Wappen als eigene Familienwappen reklamiert werden, sollten "Wappensuchende" die historischen Fakten im Auge behalten: Begrenzt war der Kreis jener Personen, die Wappen verleihen durften, wie auch jener, die Wappen empfingen. Seit im Spätmittelalter das Wappenwesen monopolisiert worden war, durften Kaiser und König, alle Landesfürsten des Reichs sowie so genannte Hofpfalzgrafen, das waren vom Kaiser dazu bevollmächtigte Männer, an Personen und Institutionen Wappen vergeben.
Durchwegs Wappen führte der Adel, mit der Erhebung in den Adelsstand ging immer die Verleihung eines Wappens einher. Mitunter wurden auch Nichtadelige mit Wappen ausgezeichnet, das waren durchwegs Leute aus dem gehobenen bürgerlichen Milieu der Städte, die öffentliche Funktionen innehatten, bevorzugt Beamte und höhere Militärs, selten Männer aus der bäuerlichen Schicht. 1818 wurde in der Habsburger Monarchie die Verleihung von Wappen an Nichtadelige eingestellt. Abseits des Adels war das Wappen somit eine Ausnahmeerscheinung. Denn das Wappen war ein Prestigeobjekt, an ihm hingen, verbunden mit dem Siegel, rechtliche Qualifikationen, und letztlich kostete es eine schöne Stange Geld, mit einem Wappen ausgestattet zu werden.
Unverrückbar galt der Grundsatz, dass ein Wappen immer einer bestimmten Person und ihren direkten Nachkommen zugedacht war, was mittels einer Urkunde, eines so genannten Wappenbriefes, dokumentiert wurde. Nach altem Recht wurde ein Personenwappen in männlicher Linie von Vater auf Kinder (Söhne und Töchter), Enkel usw. weitergegeben, dieser Vorgang machte das Personenwappen zum Familienwappen. Personen, die nicht zu den direkten Nachkommen des "Wappenstifters" (das ist jene Person, der das Wappen verliehen worden ist, oder, falls diese unbekannt ist, der erste nachweisbare Wappenträger) zählten, waren von der Wappenführung ausgeschlossen.
Da in Österreich mit der Monarchie das Familienwappen untergegangen und zur nostalgischen Reminiszenz verkümmert ist, kann hier nur an das ehrliche Gewissen appelliert werden: Überzeugen Sie sich, bevor Sie sich leichtfertig mit fremden Federn (Wappen) schmücken, ob Sie mit jener historischen Person, deren Wappen Sie als Familienwappen verwenden möchten, überhaupt verwandt sind. Generelle und automatische Zuschreibungen, wie gleicher Name, gleiche Familie, sind falsch und unsinnig. Pfusch und Schwindel sind im Bereich des Familienwappens seit vielen Jahrzehnten gang und gäbe. Heraldisches Unwissen und kommerzielle Interessen gehen hier seit längerem eine unheilige Allianz ein. Der Schein trügt, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne, erfundene oder fälschlich zugeschriebene Familienwappen sind leider die Regel und nicht die Ausnahme. Unser Land ist ein El Dorado für eine seriöse, aber auch für eine abenteuerliche heraldische Schatzsuche, weil mit der von Konrad Fischnaler angelegten Wappenkartei im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum das Familienwappen in Alttirol vorzüglich dokumentiert ist. Publizistisch ausgewertet hat Fischnaler besagte Wappenkartei oder Wappensammlung in seinem Tirolisch-Vorarlbergschen Wappenschlüssel.
Literaturhinweise:
Konrad Fischnaler: Tirolisch-Vorarlbergscher Wappenschlüssel (Ausgewählte Schriften Bd. 2-7). Innsbruck 1936-1951.
Wilfried Beimrohr: Familienwappen in Tirol, in: Tiroler Chronist 37 (1989), S. 14-25.
Gustav Pfeifer: Wappen und Kleinod. Wappenbriefe in öffentlichen Archiven Südtirols (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 11). Bozen 2001
Gustav Pfeifer: Wappenbriefe (unter besonderer Berücksichtigung der Tiroler Verhältnisse), in: Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.-18. Jahrhundert), München-Wien 2004, S. 291-302
Der Wappenschwindel, seine Werkstätten und ihre Inhaber. Ein Blick in die heraldische Subkultur. Herausgegeben vom Verein Herold. Neustadt a.d. Aisch 1997