Ortsgeschichte
Die heimatkundliche Ortsgeschichte, wie sie in vielen Pflichtschulen seit Generationen gelehrt wird, ist vielfach der Ausgangspunkt für die boomenden Dorfbücher. Fast immer handelt es sich um Neuforschung, die ohne das Tiroler Landesarchiv nicht möglich wäre. Die Ortsgeschichten tragen ganz wesentlich zur Identität der 279 Tiroler Gemeinden bei. Daher hat das Tiroler Landesarchiv die engere Heimat 1973-1989 in einer eigenen Publikationsreihe "Tiroler Ortschroniken" in leicht lesbarer Form dem interessierten Laien und dem kundigen Heimatforscher nahegebracht. Bisher haben Archivare des Landesarchivs über 50 Dorfbücher verfasst und bei Dutzenden Heimatbüchern als Koautoren oder Schriftleiter mitgearbeitet, um das Geschichtsbewusstsein zu heben. Damit wird neben der Aktenerschließung von unseren Archivhistorikern ein wesentlicher Bildungsauftrag für den Staatsbürger erfüllt.
Jubiläumsjahre der Erstnennungen oder ein politischer Wechsel in der Gemeinde steigern den Wunsch nach Identifikation und Selbstdarstellung kommunaler Leistungen. So wird ein Dorfbuch zur Visitenkarte vergangener Jahrzehnte und Jahrhunderte. Seit den 70er Jahren erscheinen jährlich zwischen sechs und acht solcher Bücher. Auch kleine Landgemeinden suchen ihre Identität und finden sie in der Selbstbesinnung auf ihre Geschichte.
Hinter all diesen Aktivitäten steht meist ein rühriger Chronist, der seit Jahrzehnten alle kommunalen Ereignisse und Veränderungen in Wort und Bild minutiös festhält. An anderer Stelle werden die Verdienste und Zielsetzungen des Tiroler Chronikwesens, das seine Wiege und Heimat im Tiroler Landesarchiv hat, ausführlicher dargestellt. Die Dokumentation des Chronisten zählt zu den wichtigsten Grundlagen für eine lebendige und sorgfältig recherchierte Ortsgeschichte.
Hier sei nur auf jene Quellen hingewiesen, die für Kleingemeinden dienlich sind, da ja dort historisches Neuland betreten werden soll. Jedem Historiker muss klar sein, dass für eine Gemeinde unter 1000 Einwohner die Geschichte nicht neu erfunden werden kann. Eine Neuforschung ist sehr aufwendig, da es für ca. 100 Tiroler Kleingemeinden keine Literatur gibt. Einen Schwerpunkt wird daher die Besitz- und Höfegeschichte anhand der Verfachbücher und Urbare bilden. Auch Flurgeschichte und Namensforschung dürften in überschaubaren Kleinregionen erfolgversprechend sein, wozu besonders der Theresianische Grundsteuerkataster und die Grundbuchanlegungsprotokolle dienlich sind. Anhand der Landgerichtsakten und der Verlassenschaftsinventare können die Sozialgeschichte und die Volkskunde gut dargestellt werden. Die Veränderungen im Flurbild und die Zersiedelung des 20. Jahrhunderts werden in den Katastermappen von ca. 1856 und in den Feldmappen dokumentiert. Dazu kommen noch statistische Unterlagen der Getreidebeschreibungen, Seelenbeschreibungen, Viehzählungen, Feuerstättenverzeichnisse und der im späten 18. Jahrhundert einsetzenden Volkszählungen. Sehr bedeutsam sind die Gemeinderatsprotokolle und die Urkunden und Akten der historischen Gemeindearchive, die bereits von über 160 Gemeinden sicherheitsverfilmt und in den Tiroler Geschichtsquellen auf über 4500 Seiten veröffentlicht wurden. Für lokalgeschichtliche Recherchen über die Zeit nach 1868 sollten auch die Akten der Bezirkshauptmannschaften herangezogen werden.
Diese Anregungen zur Abfassung von Ortsgeschichten können keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, da die Quellenlage regional sehr unterschiedlich und die Überlieferung nicht überall gleich gut ist. Quellenbestände der Pfarrarchive, Dekanatsarchive (für das Schulwesen), Familienarchive, Firmenarchive und besonders die wertvollen Sammlungen der Chronisten seien hier noch erwähnt, obwohl sie nicht zu den Beständen des Tiroler Landesarchivs zählen.