Schutzfristen
Bei der Gewährung der Einsichtnahme in Schriftgut, das in jüngerer und jüngster Vergangenheit entstanden ist, sind verschiedenartige Schutzbestimmungen zu beachten.
Diese Schutzbestimmungen bestehen sowohl zugunsten der Organisationseinheit (Behörde, Amt, Dienststelle usw.), von der das Schriftgut stammt, als auch zugunsten der Personen, über die das Schriftgut Informationen enthält.
Ein wesentlicher Inhalt dieser Regelungen liegt im Schutz bestimmter Personen selbst sowie ihres Privat- und Familienlebens. Diese Haltung gründet auf Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) aus dem Jahre 1950, der die Republik Österreich beigetreten ist und die sie in den Verfassungsrang erhoben hat. Einerseits können nämlich Archivbestände der jüngeren Zeit Personen betreffen, die selbst noch am Leben sind, andererseits können Informationen über bereits verstorbene Personen auf Menschen Bezug nehmen, die deren sozialem Umfeld angehörten und ihrerseits noch am Leben sind!
Um nun der Gefahr der Weitergabe solcher Informationen über einzelne Personen oder Personengruppen zu begegnen, haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Rechtsinstitute entwickelt, die dem Schutz des Einzelnen dienen. So verpflichtet die österreichische Bundesverfassung zur Amtsverschwiegenheit (Artikel 20 Bundes-Verfassungsgesetz) und mehrere Gesetze enthalten einschlägige Schutzbestimmungen (Datenschutzgesetz, Krankenanstaltengesetz, Personenstandsgesetz, Urheberrechtsgesetz u.a.).
Wie alle anderen Österreichischen Bundesländer hat der Tiroler Landtag 2017 ein Archivgesetz erlassen. Wesentlich darin sind die Schutzfristregelungen in § 9 Tiroler Archivgesetz 2017 (LGBl. 128/2017). Neben diesen für alle öffentlichen und privaten Archive in Österreich verbindlichen Normen gelten für das Archivgut des Bundes (§ 8 des Bundesarchivgesetzes 1999) sowie in den einzelnen Bundesländern zusätzliche Regelungen für die Einsichtnahme in schutzwürdiges, also der Schutzfrist unterliegendes Schriftgut.
Für das Tiroler Landesarchiv als das Archiv des Landes Tirol sind im Hinblick auf die Wahrung der Schutzfristen auf vorhandene zeitgenössische Archivbestände vor allem folgende Schutzbestimmungen von Bedeutung:
- Tiroler Archivgesetz 2017
§ 9 Schutzfristen
„(1) Öffentliches Archivgut unterliegt einer Schutzfrist von 30 Jahren, soweit nicht gesetzlich anderes bestimmt ist und es nicht vor seiner Übergabe bereits öffentlich zugänglich war.
(2) Der Lauf der Schutzfrist beginnt mit dem Tag der letzten inhaltlichen Bearbeitung der Unterlagen. Sind die Unterlagen aktenmäßig zusammengefasst, so beginnt der Lauf der Schutzfrist mit dem Datum des jüngsten Schriftstücks des Aktes.
(3) Öffentliches Archivgut, das besonderen Kategorien personenbezogener Daten im Sinn des Art. 9 Abs. 1 der Datenschutz-Grundverordnung enthält, unterliegt über 30 Jahre hinaus einer Schutzfrist bis zum Tod der betreffenden natürlichen Person, es sei denn, diese hat einer Einsichtnahme schon zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt. Ist der Todestag nicht oder nur mit großem Aufwand feststellbar, endet die Schutzfrist 100 Jahre nach der Geburt der betreffenden Person.
(4) Im Fall von öffentlichem Archivgut nach § 5 Abs. 2 und § 6 Abs. 3 beginnt der Lauf der Schutzfrist mit dem Ausscheiden aus dem Amt.
(5) Während der Schutzfrist ist das öffentliche Archivgut besonders gesichert aufzubewahren. Im Fall digital verarbeiteter Aufzeichnungen ist eine fachgerecht gesicherte Datenspeicherung vorzunehmen.
(6) Während der Schutzfrist ist das Archivgut des Landes oder der Gemeinden nur zugänglich:
a) für jene Personen und Einrichtungen, die das Archivgut dem Land Tirol oder der jeweiligen Gemeinde übergeben haben,
b) anderen Personen nach Maßgabe einer Ausnahmebewilligung nach § 10 Abs. 5 oder im Rahmen des § 11 Abs. 2.
- Bundesgesetz über den Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz 2000 - DSG 2000).
Artikel 1 (Verfassungsbestimmung) definiert das Grundrecht auf Datenschutz, wobei hier wiederum § 1 Absatz 1 von grundlegender Bedeutung ist; er lautet: "Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind".
- Bundesgesetz aus dem Jahre 1983 über die Regelung der Personenstandsangelegenheiten einschließlich des Matrikenwesens (Personenstandsgesetz 1983 - PStG) in der geltenden Fassung.
Von zentraler Bedeutung ist dabei § 41 Absatz 4: "Einschränkungen des Rechtes auf Einsicht und Ausstellung von Urkunden, die sich aus § 37 ergeben, gelten nach Ablauf einer Frist von hundert Jahren seit der Eintragung als aufgehoben, sofern die Eintragung nicht eine lebende Person betrifft".
Dieses Gesetz greift hier auf Grund der Tatsache, dass das Tiroler Landesarchiv Mikrofilme von sämtlichen katholischen Kirchenmatriken (Tauf-, Trau- und Totenbücher) des Bundeslandes Tirol (Diözese Innsbruck und Tiroler Anteil der Erzdiözese Salzburg) verwahrt und online zur Einsicht zur Verfügung stellt.
Grundsätzlich festzuhalten ist, dass nach Ablauf der Schutzfrist Archivalien des Tiroler Landesarchivs ohne Genehmigung eingesehen und ausgewertet werden können.
Die nichtamtliche oder private Benutzung von Archivalien innerhalb der Schutzfrist ist jedoch auf Grund der genannten gesetzlichen Bestimmungen nur mit einer Ausnahmegenehmigung zulässig.
Dies betrifft die Einsichtnahme durch Personen für private Zwecke, sofern ein rechtliches Interesse vorliegt, weiters die Einsichtnahme zum Zwecke wissenschaftlicher Forschung.
Sollten Sie der Schutzfrist unterliegendes Schriftgut des Tiroler Landesarchivs einsehen wollen, wenden Sie sich bitte an uns. Wir informieren Sie gerne über die Möglichkeiten, eine Genehmigung für die Einsichtnahme zu erhalten.