Geschichte
Vom Gauhaus zum Sitz der Tiroler Landesregierung
Vor dem Hintergrund der bestehenden Raumnot plante die Gauleitung ab Sommer 1938 eine umfassende Landhauserweiterung und wickelte sie in äußerst kurzer Zeit ab. Knapp über 200 Bauarbeiter aus dem deutschen Reich, dazu zählte auch die ehemalige Ostmark (Österreich), und Italien arbeiteten ab Mitte Oktober 1938 über die Wintermonate fast rund um die Uhr. Bereits am 6. Mai 1939 fand die Firstfeier statt, drei Monate später übersiedelten die ersten Ämter in das Gebäude. Die NS-Propaganda vermarktete den Bau des Gauhauses als Aufbruch in eine neue Zeit und als Einlösung der Versprechungen des Nationalsozialismus.
Die Verfolgungsmaschinerie des NS-Regimes prägten die Ereignisse rund um den Erweiterungsbau entscheidend mit. Zum einen kaufte die Gauleitung zusätzliche Gebäude, teilweise durch Tauschgeschäfte mit „arisieren“ Immobilien. Zum anderen nutzte die Gauleitung den Vermögensentzug kirchlicher Einrichtungen zur Finanzierung des Projekts. Der Landhausblock entwickelte sich rasch zur Schaltzentrale der NS-Schreckensherrschaft. Hier liefen sämtliche Fäden der NS-Verbrechen zusammen, hier trafen die Machthaber Entscheidungen zur Ausführung umfassender Verfolgungsmaßnahmen und hier fand deren bürokratische Abwicklung statt. Etliche Abteilungen und Dienststellen waren an den Verbrechen beteiligt.
Der Tiroler Landesregierung verleugnete nach Kriegsende die NS-Vergangenheit des Gebäudekomplexes. Sie knüpfte räumlich an die Zeit vor 1938 an und verblieb im Alten Landhaus. Die Besatzungsmächte richteten ihren Stützpunkt im Neuen Landhaus ein. Der Leugnung der Vergangenheit stand eine ständige Konfrontation mit dem nationalsozialistischen Erbe im Gebäude gegenüber. Nach dem Abzug der französischen Militärregierung nahm die Landesregierung das Gebäude 1955 in Besitz, ohne sich jahrzehntelang Gedanken über den Umgang mit dem NS-Relikt zu machen.
Die Publikation „Vom Gauhaus zum Landhaus. Ein Tiroler NS-Bau und seine Geschichte" von Christian Mathies und Hilde Strobl informiert in umfassender Weise über Entstehung, Nutzung und Umgang mit dem Gebäudekomplex und kann im Buchhandel und im Tiroler Landesarchiv erworben werden (Bild: Buchcover).