Am vergangenen Sonntag und Montag fand in burgenländischen Andau die Konferenz der österreichischen LandtagspräsidentInnen statt. LTPin Sonja Ledl-Rossmann vertrat dabei das Tiroler Landesparlament und tauschte sich mit ihren AmtskollegInnen zu aktuellen Landtagsthemen aus. Das Treffen im Seewinkel stand unter dem Motto „Gemeinsam für eine starke und bürgernahe Demokratie“.
Die Landtage würden vor vielen ähnlichen oder gleichen Herausforderungen stehen, so Burgenlands LTP Robert Hergovich, der den Vorsitz innehatte. „Die gute Zusammenarbeit der Landtage trägt daher wesentlich zu einer erfolgreichen Parlamentsarbeit und in weiterer Folge auch zur Stärkung der Demokratie bei.“ In einer gemeinsamen Erklärung zum „Schutz der Demokratie vor den Risiken sozialer Medien“ betonten die österreichischen LandtagspräsidentInnen den sorgsamen Umgang mit Social Media. Fachlichen Input zum Thema lieferte der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Matthias Karmasin. Weiters nahmen an der Konferenz auch die Landtagspräsidentin von Baden-Württemberg als Vorsitzende der deutschen Landtagspräsidentenkonferenz, der Südtiroler Landtagspräsident sowie Österreichs Bundesratspräsident teil.
"Bereits im Juni diesen Jahres, als die Landtagspräsidentinnen und -präsidenten auf meine Einladung nach Hall gekommen sind, stand die Nutzung von sozialen Medien im Fokus unseres Treffens. Damals referierte die Politikwissenschafterin Susanne Reitmair-Juárez zum jugendlichen Nachrichtenkonsum und den damit verbundenen Herausforderungen - Stichwort 'Fake news' und Desinformation. Es freut mich, das Robert Hergovich das Thema weiterverfolgt hat und wir nun die 'Andauer Erklärung' verabschieden konnten", so LTPin Sonja Ledl-Rossmann.
Die von den österreichischen Landtagspräsidentinnen und -präsidenten unterzeichnete Erklärung enthält 10 Punkte für den „Schutz der Demokratie vor den Risiken sozialer Medien“:
Schutz der Demokratie vor den Risiken sozialer Medien
Die Präsidentinnen und Präsidenten der österreichischen Landtage haben in ihrer Konferenz die Einflüsse sozialer Medien auf die Demokratie diskutiert und dabei Maßnahmen zum Schutz der Demokratie vor den Risiken sozialer Medien beraten und eine gemeinsame, 10 Punkte umfassende, Erklärung beschlossen:
1. Die Landtagspräsidentinnen und Landtagspräsidenten erklären, dass soziale Medien für eine moderne, liberale Demokratie einen hohen Stellenwert haben. Sie bieten neue Möglichkeiten des politischen Diskurses, der Information sowie der Interaktion und können auch zur Mobilisierung für gesellschaftspolitisch wichtige Anliegen genutzt werden. Soziale Medien bieten grundsätzlich die Chance, die Demokratisierung einer Gesellschaft voranzutreiben und die Demokratie zu stärken.
2. Gleichzeitig weisen die Landtagspräsidentinnen und Landtagspräsidenten darauf hin, dass den positiven Nutzungsmöglichkeiten sozialer Medien auch erhebliche Risiken für die Demokratie gegenüberstehen. Diese Risiken liegen etwa in der zunehmend rasanten und massenhaften Verbreitung von Fake News, Hassbotschaften und dadurch erzeugten Manipulation im Vorwahlprozess - in jüngster Zeit noch verstärkt durch verbesserte KI-Technologien. Es besteht das Risiko, dass das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen sowie in demokratische Prozesse nachhaltig untergraben werden.
3. Soziale Medien werden nicht nur von der Jugend zunehmend als solitäre Nachrichtenquelle genutzt, sodass diese ein wesentlicher Faktor für die politische Meinungsbildung sind. Die von den Plattformbetreibern eingesetzten Algorithmen können Phänomene wie „Filterblasen“ und „Echokammern“ verstärken, welche eine verzerrte Wahrnehmung der Wirklichkeit zur Folge haben können. Die Funktionsweise der Algorithmen, welche die Verbreitung extremer, provozierender und emotional aufgeladener Aussagen fördert, kann zur politischen Radikalisierung führen und so zur Spaltung der Gesellschaft beitragen.
4. Die Landtagspräsidentinnen und Landtagspräsidenten sprechen sich dafür aus, dass die Anstrengungen zur Sensibilisierung der Bevölkerung, vor allem der Jugend, für die Risiken und Gefahren sozialer Medien für die Demokratie ausgebaut werden und die Medienkompetenz, beginnend mit einem Medienkompetenzunterricht an den Schulen, weiter gestärkt wird. Soziale Medien sollen auch im schulischen Unterricht im Rahmen der politischen Bildung und in der Demokratiebildung stärkere Beachtung finden. Letzteres gilt insbesondere auch für Initiativen, Maßnahmen und Projekte der Demokratievermittlung, die seitens der Parlamente im eigenen Wirkungsbereich entwickelt, forciert und umgesetzt werden.
5. An die Bundesregierung richten die Landtagspräsidentinnen und Landtagspräsidenten den Appell, geeignete Initiativen und Informationsmaßnahmen zum Thema soziale Medien weiter auszubauen und die Bevölkerung auf die Gefahren und Risiken sozialer Medien für die Demokratie aufmerksam zu machen.
6. Die Landtagspräsidentinnen und Landtagspräsidenten betonen im Zusammenhang mit der politischen Meinungsbildung und der Stärkung der Demokratie die Bedeutung traditioneller Medien. Diese sind unverzichtbar für eine sachliche, objektive und professionelle Informationsversorgung. Die traditionellen Mediengarantieren eine unabhängige, sorgfältige, den journalistischen Regeln und Standards folgende Berichterstattung. Es ist auch sicherzustellen, dass die Medienfreiheit als ein zentrales Wesensmerkmal einer liberalen Demokratie weiterhin gewährleistet ist. Von besonderer Bedeutung sind dafür ein unabhängiger ORF, der seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag in den Bundesländern durch den Erhalt der Landesstudios umfänglicher nachkommen kann, sowie die Förderung von Qualitätsjournalismus.
7. Die Landtagspräsidentinnen und Landtagspräsidenten sprechen sich dafür aus, dass die demokratische Kontrolle großer digitaler Plattformen auf europäischer Ebene weiter ausgebaut wird. Sie sehen im Digital Services Act der Europäischen Union einen wesentlichen Schritt für einen wirksamen Schutz der Demokratie, der für die Nutzerinnen und Nutzer weiter ausgebaut werden sollte.
8. Auch im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI-Technologien bei der Generierung von Inhalten sehen die Landtagspräsidentinnen und Landtagspräsidenten insbesondere die Institutionen der Europäischen Union gefordert, geeignete Maßnahmen zum Schutz vor Deep Fakes zu schaffen und rechtlich eine Kennzeichnungspflicht für alle mit Deep Fake-Technologien erstellten Materialien zu erwirken.
9. Die Landtagspräsidentinnen und Landtagspräsidenten sprechen sich dafür aus, dass der Schutz der Nutzerinnen und Nutzer auf Kommunikationsplattformen weiter ausgebaut wird. Desinformationskampagnen, die erkennbar zur Manipulation in Vorwahlzeiten genutzt werden, sollen durch eine Meldestelle erfasst, bewertet und transparent gemacht werden.
10. Schließlich appellieren die Landtagspräsidentinnen und Landtagspräsidenten an alle Nutzerinnen und Nutzer, alle über soziale Medien - vor allem im Vorfeld von Wahlen - erhaltenen Informationen zu hinterfragen, diesen kritisch und mit der gebotenen Skepsis zu begegnen sowie auch das breite und vielfältige Informationsangebot traditioneller Medien zur Überprüfung der in sozialen Medien verbreiteten Behauptungen zu nutzen.