Die Politikwissenschafterin Susanne Reitmair-Juarez setzte sich in ihrer Doktorarbeit intensiv mit der Frage auseinander, wie Jugendliche Nachrichten konsumieren. Ihre Ergebnisse hat sie im Rahmen einer Landtagsveranstaltung präsentiert. Geladen waren unter anderem Abgeordnete, VertreterInnen der Bildungsdirektion, der Universität Innsbruck sowie der Landesverwaltung.
Wie verstehen Jugendliche das Konzept „(aktuelle) Nachrichten“, wie konsumieren sie sie? Welche Informationsquellen verwenden Jugendliche und wie stark überschneiden sich ihre Themenhorizonte mit der medialen Berichterstattung? Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, konzipierte Reitmair-Juarez zwei Teilstudien mit Tiroler Jugendlichen zwischen 13 und 20 Jahren. Im ersten Schritt führte sie qualitative Einzel- und Gruppeninterviews durch, im zweiten Part kam eine “Mobile Experience Sampling”-Methode zum Einsatz, bei der die Politikwissenschafterin die jungen Teilnehmenden per WhatsApp über deren aktuellen Nachrichtenkonsum befragte.
Dabei hat sich herausgestellt, dass Jugendliche über ein “klassisches” Nachrichtenverständnis verfügen und es stark mit traditionellen Nachrichtenformaten (TV, Radio, Zeitungen) assoziieren. Bedingt durch eine herrschende Verunsicherung und Mangel an Vertrauen in Informationen - Stichwort: Fake News - suchen viele nach Orientierung und Ankerpunkten in der Informationsflut. Die Nutzung traditioneller Marken wirkt dabei entlastend.
Herausforderung Algorithmus
Die befragten Jugendlichen nutzten vielfach soziale Kontexte (Familie, Peers) und besonders Social Media, um informiert zu werden („Wenn etwas wichtiges passiert, dann erzählt es mir die Mama. Oder ich sehe es auf Instagram“). Die Informationen werden eher vereinzelt und themenbezogen konsumiert also sogenannte „snack news“. Somit entsteht eine gewisse Erwartungshaltung, automatisch über Relevantes informiert zu werden ("News Find Me"-Einstellung). Durch die beiläufige Information entstehen kaum nachhaltige Lerneffekte. Auch herrscht wenig Bewusstsein über die Auswirkungen algorithmisch kuratierter und damit personalisierter Nachrichtennutzung.
Durchschnittlich acht Nachrichtenthemen poppten pro teilnehmendem Jugendlichen in einer Woche auf. 42,7 Prozent der dokumentierten Themen waren „soft news“ (z.B. Chronik-Berichte wie Verkehrsunfälle oder Promi-News), die für den gemeinsamen politischen Diskurs nicht relevant sind. 22,6 Prozent waren dominanten Themen, die kaum vermeidbar waren, zuzurechnen. Die über Social Media konsumierten Nachrichten wurden sehr schnell „vergessen“, außerdem war eine hohe Asynchronität (bis zu 3 Monate) zu beobachten - also zwischen dem Zeitpunkt, an dem etwas passierte und dem Moment, als der Algorithmus die Nachricht dann in den Feed der Jugendlichen gebracht hat.
Als Anknüpfungspunkte für die politische Bildung empfahl Susanne Reitmair-Juarez unter anderem, das konstruktive Arbeiten mit online-Quellen in den Fokus gerückt werden sollte und die oft praktizierte alarmierende Verunsicherung im Umgang mit Sozialen Medien kontraproduktiv sei.
Die vollständige Dissertation kann hier heruntergeladen werden. Das Forschungsprojekt am Institut für Politikwissenschaften wurde durch ein Stipendium des Tiroler Landtags ermöglicht.