VwGH-Erkenntnisse
Beim atypischen Gemeindegut liegt weder Miteigentum in zivilrechtlicher Hinsicht noch ein Ober- und Untereigentums vor - der Substanzwert steht der Gemeinde zu. Anteilsrechte an einer Agrargemeinschaft können auch im Falle ihrer Nichtausübung nicht verjähren;
Die Mitgliedschaft der Gemeinde an der Agrargemeinschaft ist in drei Fällen gegeben, nämlich wenn die Gemeinde Eigentümerin einer Stammsitzliegenschaft ist, wenn ihr ein persönliches Anteilsrecht zusteht oder wenn es sich bei der Agrargemeinschaft um eine atypische Gemeindegutsagrargemeinschaft handelt.
Die Teilung von agrargemeinschaftlichen Grundstücken stellt eine besondere Form der Abwicklung des agrargemeinschaftlichen Vermögens dar und beendet die Gemeinschaft mit einem auszuscheidenden Mitglied oder überhaupt die Gemeinschaft aller Mitglieder. Nach Ansicht des VwGH – unter Berücksichtigung der Entscheidungen des VfGH - enthält ein Teilungsplan zwar unter anderem auch die Entziehung, Veränderung und Zuweisung von Eigentum an bestimmten Flächen, stellt aber keine Enteignung (iSd Tir LO 1989) dar.
Ein Regulierungsbescheid, der zwar mit "Hauptteilung" betitelt ist, inhaltlich aber nur die Belassung von Gemeindevermögen bei der Gemeinde umfasst, kann nicht dazu führen, dass die Qualifikation als atypische Gemeindegutsagrargemeinschaft wegfällt. Entscheidend für eine Hauptteilung ist, dass das gesamte Gemeindegut erfasst ist und eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen der Gemeinde und der Agrargemeinschaft in Bezug auf das Gemeindegut darstellt.
Eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung kann auch außerhalb einer Hauptteilung stattfinden und bei gleichem Ergebnis ist sie einer Hauptteilung gleichzuhalten (zb agrarbehördlich genehmigtes Parteienübereinkommen); auch solche Auseinandersetzungen führen zur Beendigung der atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaft Für die Qualifikation als Hauptteilung ist also nicht der Titel des Aktes, sondern dessen Inhalt maßgeblich.
Ein die Eigenschaft als atypische Gemeindegutsagrargemeinschaft bestätigender Feststellungsbescheid hat nur deklaratorische Wirkung.
Die Verfassungsvorschrift des Art 7 StGG enthält nur ein Verbot, Liegenschaften nach Art des geteilten Eigentums mit unablösbaren Leistungen zu belasten. Derartiges ordnet § 36 Abs 2 TFLG 1996 idF TFLG 2010 aber nicht an. Ein Verstoß des § 33 Abs 5 TFLG 1996 gegen Art 7 StGG kommt nicht in Frage, da § 33 Abs 5 Tir FlVfLG 1996 keine Teilung des Eigentums an den agrargemeinschaftlichen Liegenschaften vorsieht, sondern das Anteilsrecht der Gemeinde an der Agrargemeinschaft betrifft.
Beim Gemeindegut nach § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 ist weder vom Vorliegen eines Miteigentums in zivilrechtlicher Hinsicht, noch eines Ober- und Untereigentums auszugehen.
Weil es sich bei dem Recht der Substanznutzung durch die Gemeinde um eine besondere Art des Anteilsrechts an der Agrargemeinschaft handelt, unterliegt es den öffentlichrechtlichen Grundsätzen und nicht denjenigen des Zivilrechtes. Eine ausschließliche Qualifizierung von Teilwäldern als Gemeindegut ist rechtswidrig, da alleine die Bestimmung des § 33 Abs. 2 lit d TFLG 1996 diejenige Art von agrargemeinschaftlichen Grundstücken darstellt, die der Gesetzgeber als Teilwald definiert hat.
Mit dem Feststellungsbescheid über das Vorliegen einer Gemeindegutsagrargemeinschaft sind keine unmittelbaren Pflichten der einzelnen Mitglieder verbunden und werden auch keine Rechte eingeräumt – daher haben Agrargemeinschaftsmitglieder keine Parteistellung im Feststellungsverfahren. Die agrargemeinschaftlichen Anteilsrechte werden durch die Agrargemeinschaft repräsentiert.
Die Feststellung von Agrargemeinschaften als Gemeindegutsagrargemeinschaften entfaltet auch gegenüber jenen Personen, welche ein Anteilsrecht an einer Gemeindegutsagrargemeinschaft erwerben möchten, Tatbestandswirkung – auch, wenn diese Personen dem Feststellungsverfahren (natürlich) nicht beigezogen wurden.
VwGH-Erkenntnis, Zl. Ra 2016/07/0111-6 (30.03.2017)
Bei einer Wahl kommt es - im Unterschied zu sonstigen Beschlussfassungen - auf das Ausmaß der Anteilsrechte nicht an. Jedes Mitglied hat dabei - ungeachtet der Anzahl der Stammsitzliegenschaften, deren Eigentümer er ist - nur eine einzige Stimme.
- VwGH-Beschluss, Zl. Ro 2016/07/0011-5 (23.07.2018)
Die anteilsberechtigten Mitglieder der Agrargemeinschaft als Empfänger der Kapitalbeträge (Ausschüttungen) sind Schuldner der Kapitalertragssteuer (KESt) im Sinne des § 95 EStG 1988, die Agrargemeinschaft als Abzugsverpflichtete haftet dem Bund von Gesetzes wegen für die Einbehaltung und Abfuhr der Steuer.
Durch die Zahlung der Steuerschuld durch die Agrargemeinschaft ist die entsprechende Forderung auf die Agrargemeinschaft im Wege der Legalzession gemäß § 1358 ABGB übergegangen.
Es liegt auch kein Anwendungsfall des § 86d vor: Nach der zivilgerichtlichen Judikatur wird der Regress des § 1358 ABGB erst durch die tatsächliche Zahlung des Regressierenden fällig. Die Agrargemeinschaft konnte die in Rede stehende Forderung gegenüber ihren Mitgliedern erst mit der Entrichtung, also erst nach dem Ablauf des Tages der Kundmachung des Gesetzes LGBl. Nr. 70/2014 (Anmerkung: somit nach dem 1. Juli 2014) geltend machen. Dass die Ausschüttungen selbst, an die die Steuerpflicht anknüpfte, in den Jahren 2010 bis 2013 erfolgten, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheidend.
- VwGH-Erkenntnis, Zl. Ro 2023/07/0004-0009-8 (04.07.2024)
Mit der Abweisung von Feststellungsanträgen der Agrargemeinschaft liegt keine rechtskräftige Feststellung von Gemeindegut vor (VwGH 30.6.2011, 2010/07/0074). Dessen ungeachtet ist jede Behörde - und auch das VwG - im Rahmen des § 38 AVG aber befugt, im Zuge einer Vorfragenentscheidung die Frage der Qualifikation der Agrargemeinschaft als Gemeindegutsagrargemeinschaft aus eigenem zu prüfen (VwGH 26.4.2013, 2012/07/0085).
Erfolgt mit Bescheid eine verfassungswidrige Übertragung des Gemeindegutes in das Eigentum der Agrargemeinschaft, hat sich das Substanzrecht der Gemeinde - ursprünglich in Form des Eigentums - in ein agrargemeinschaftliches Anteilsrecht umgewandelt. Der Substanzwert am Gemeindegut ist "seit jeher der Gemeinde" zugestanden (VfGH 13.10.2016, G 219/2015).
Abgesehen von walzenden (persönlichen) Anteilsrechten sind das Anteilsrecht und damit die Mitgliedschaft an einer Agrargemeinschaft mit dem Eigentum an einer Stammsitzliegenschaft verknüpft (§ 33 Abs. 1 Tir FlVLG 1996). Während allein die Stammsitzliegenschaft Trägerin der unterschiedlich ausgestalteten Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft ist (VwGH 14.7.2020, Ra 2019/07/0128 bis 0129), ist der jeweilige Eigentümer der Stammsitzliegenschaft Mitglied der Agrargemeinschaft und nimmt in dieser Funktion an der Willensbildung der Agrargemeinschaft teil (VwGH 30.3.2017, Ra 2016/07/0111). Der jeweilige Eigentümer der Stammsitzliegenschaft ist daher in Beziehung auf das an die Stammsitzliegenschaft gebundene Anteilsrecht nur der Repräsentant, der Vertreter der Stammsitzliegenschaft, nicht aber selbst Rechtsträger. Ereignisse in der Person des Eigentümers der Stammsitzliegenschaft haben daher keinen Einfluss auf das Anteilsrecht als solches. Der Eigentümer der Stammsitzliegenschaft ist Mitglied der Agrargemeinschaft nicht kraft eigenen Rechts, sondern nur in seiner Eigenschaft als Repräsentant der Stammsitzliegenschaft. Die auf Grund des Anteilsrechts bezogenen Nutzungen dienen nicht zur Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des Eigentümers der Stammsitzliegenschaft, sondern zur Befriedigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse der Stammsitzliegenschaft selbst.
§ 37 Abs. 7 Tir FlVfLG 1996 gilt ausdrücklich nur a) für Streitigkeiten zwischen der Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern oder zwischen den Mitgliedern untereinander aus dem Mitgliedschaftsverhältnis sowie b) für Streitigkeiten zwischen der Gemeinde und einer Agrargemeinschaft auf Gemeindegut iSd § 33 Abs. 2 lit. c Tir FlVfLG 1996. Eine Einbeziehung Dritter bzw. ehemaliger Mitglieder in solche von der Agrarbehörde abzuwickelnde Verfahren ist daher ausgeschlossen.
Um Einkünfte aus Anteilen an einer körperschaftlich organisierten Agrargemeinschaft, die nicht dem land- und forstwirtschaftlichen Einkünften (§ 21 EStG 1988) zuzurechnen sind, als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen, wurde mit dem Budgetbegleitgesetz 2009 auch § 27 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 um eine lit. d ergänzt, laut der "Bezüge aus Anteilen an körperschaftlich organisierten Personengemeinschaften in den Angelegenheiten der Bodenreform (Agrargemeinschaften) im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Z 3 Bundes-Verfassungsgesetz" zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören (gemäß § 124b Z 162 für Bezüge, die ab dem 1. Jänner 2009 zufließen). § 27 EStG 1988 in der Fassung vor dem Budgetbegleitgesetz 2009 erfasst hingegen Ausschüttungen aus Agrargemeinschaften nicht. Sie stellen insbesondere nicht "Zinsen und andere Erträgnisse aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art" im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 dar. Der Agrargemeinschaft wird seitens der Anteilsberechtigten nicht Kapital zur Verfügung gestellt, welches zu Kapitalforderungen und sodann zu Erträgnissen aus Kapitalforderungen der Anteilsberechtigten führt.