- Ärztebedarfsanalyse liegt vor: Mehrbedarf vor allem bei Augenheilkunde und Optometrie, Kinder- und Jugendheilkunde, Psychiatrie, Urologie sowie Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde
- Schaffung neuer Lehrpraxen zur Stärkung des niedergelassenen Bereichs
Um die Gesundheitsversorgung in Tirol sicherzustellen, wird vonseiten des Landes Tirol gemeinsam mit den Systempartnern Sozialversicherung, Ärztekammer sowie den Tiroler Krankenanstalten bereits jetzt laufend an Maßnahmen gearbeitet. Die dabei derzeit größte Herausforderung stellt der bestehende Personalmangel dar. Als erste Gegenmaßnahme wurde deshalb eine Ärzte- und Ausbildungsbedarfsanalyse durchgeführt. Damit liegt in Tirol erstmals ein systematischer Gesamtüberblick über alle Versorgungsbereiche hinweg vor. Auf Basis dieser Analyse sollen in weiterer Folge zielgerichtete Schritte abgeleitet werden, um die Qualität der Gesundheitsversorgung in Tirol aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln. Die Ergebnisse der Analyse wurden heute, Mittwoch, von Gesundheitslandesrätin Cornelia Hagele, Ärztekammerpräsident Stefan Kastner, dem Landesstellenausschuss-Vorsitzenden der ÖGK in Tirol Bernhard Achatz, dem medizinischen Geschäftsführer der Tirol Kliniken Christian Haring sowie dem Direktor der Kinder- und Jugendheilkunde der Universitätsklinik Innsbruck Thomas Müller präsentiert. Dabei wurde vor allem in den Fachrichtungen Augenheilkunde und Optometrie, Kinder- und Jugendheilkunde, Psychiatrie, Urologie sowie Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde ein Mehrbedarf identifiziert. Um die betroffenen Bereiche gezielt zu attraktivieren und den Bedarf in den betroffenen Fachrichtungen zu decken, werden insgesamt 23 weitere Ausbildungsstellen bis 2025 geschaffen.
„Die derzeitige Personalsituation im Gesundheitsbereich stellt uns durchaus vor Herausforderungen. Als Ausdruck der gemeinsamen Verantwortung für das Tiroler Gesundheitssystem ziehen wir an einem Strang: Gemeinsam mit den Systempartnern haben wir den Beschluss gefasst, dem Ärztemangel mit einem umfassenden Maßnahmenpaket effektiv entgegenzusteuern“, sagt LRin Hagele. In den Fachrichtungen Augenheilkunde und Optometrie, Kinder- und Jugendheilkunde, Psychiatrie, Urologie sowie Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde wird die erwartete Anzahl an AbsolventInnen als zu gering eingeschätzt, um die erforderlichen Neubesetzungen zu erreichen. Um den zukünftigen Bedarf an ÄrztInnen bestmöglich zu decken, werden in einem ersten Schritt vier zusätzliche Ausbildungsstellen in der Augenheilkunde und Optometrie, acht in der Kinder- und Jugendheilkunde, acht in der Psychiatrie, zwei in der Urologie sowie eine in der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde geschaffen.
Zeitliche Staffelung bei zusätzlichen Ausbildungsstellen
Weiters ist in den Fachrichtungen Allgemeinmedizin, Augenheilkunde und Optometrie, Dermatologie sowie Frauenheilkunde und Geburtshilfe in den letzten zehn Jahren ein deutlicher Anstieg der niedergelassenen ÄrztInnen ohne ÖGK-Vertrag zu beobachten. „Das erschwert es, den Personalbedarf im öffentlichen Gesundheitsversorgungssystem zu decken. Durch die zusätzlichen Ausbildungsstellen soll mehr Absolventinnen und Absolventen ein rascherer Einstieg in die Ausbildung ermöglicht werden – genau in jenen Fächern, in denen ein Mangel besteht. Damit soll das Tiroler Gesundheitssystem in einer Perspektive der nächsten sechs bis zehn Jahre nachhaltig gestärkt werden“, so Christian Haring, Geschäftsführer der Tirol Kliniken.
Die zusätzlichen Ausbildungsstellen werden zeitlich gestaffelt, jeweils zur Hälfte im Jahr 2024 und 2025, umgesetzt und unter Anwendung eines Rotationsprinzips in den öffentlichen Tiroler Krankenanstalten verortet. „Das bedeutet, die 9-monatige Basisausbildung für die Absolventinnen und Absolventen beginnt regional im jeweiligen Bezirkskrankenhaus, welches für den künftigen Wirkungsort den Versorgungsauftrag hat. Im Anschluss daran absolvieren die Ausbildungsärztinnen und –ärzte die vorgeschriebenen Ausbildungszeiten abschnittsweise in den Tirol Kliniken und dem jeweiligen Bezirkskrankenhaus. Am Ende der Ausbildung findet dann noch eine 9-monatige Lehrpraxis statt, welche ebenfalls regional erfolgt. Dadurch werden angehende Ärztinnen und Ärzte sowohl für ihre zukünftigen Aufgaben in den Bezirkskrankenhäusern, als auch im niedergelassenen Bereich vorbereitet“, erklärt Klinikdirektor Thomas Müller und führt weiter aus: „Eine Ausbildungsoffensive wie diese - am Beispiel der Kinder- und Jugendheilkunde mit insgesamt acht zusätzlichen Ausbildungsstellen für Kinderärztinnen und Kinderärzte – ist historisch einzigartig und unterstreicht, dass unser Fokus darauf liegen muss, jungen Menschen nach dem Medizinstudium einen direkten Einstieg in die Facharztausbildung zu ermöglichen. Mit dem vielfältigen Ausbildungskonzept kann es uns gelingen, Absolventinnen und Absolventen in die Ausbildungen zu bringen, die sie möchten und die derzeit benötigt werden. Bezogen auf die Kinder- und Jugendheilkunde – aber auch in allen anderen Fachrichtungen – gilt: Wenn genügend Ärztinnen und Ärzte ausgebildet werden, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie in die Niederlassung oder Primärversorgungszentren gehen“, betont Müller.
Ausbau von Lehrpraxisstellen geplant
Aufbauend auf den Erfahrungen aus der Lehrpraxis für Allgemeinmedizin finanziert die ÖGK zukünftig vermehrt Lehrpraxisstellen, insbesondere in den Fächern Kinder- und Jugendheilkunde, Dermatologie und Augenheilkunde. „Die ÖGK sieht diese Maßnahme als große Chance für junge Ärztinnen und Ärzte, das Aufgabenspektrum und die Arbeitsbedingungen in der freien Praxis sowie das Kassensystem kennenzulernen. So können wir auch den Nachwuchs im kassenärztlichen Bereich nachhaltig fördern“, erläutert LSA-Vorsitzender Bernhard Achatz die von der ÖGK finanzierte Maßnahme. Neben den bestehenden geförderten Lehrpraxisstellen in der Allgemeinmedizin sollen in einem ersten Schritt in den kommenden beiden Jahren bis zu 20 ÄrztInnen, die sich im letzten Teil der Facharztausbildung für Kinder- und Jugendheilkunde befinden, in Lehrpraxen ausgebildet werden. Derzeit stehen bereits fünf Lehrpraxen zur Verfügung. Die jungen ÄrztInnen können bereits ab Januar 2024 als LehrpraktikantIn starten.
„Um den Ärztemangel in den Griff zu bekommen, muss bereits in der Ausbildung angesetzt werden. Es braucht jedoch nicht mehr Studienplätze, sondern mehr Ausbildungsplätze für Absolventinnen und Absolventen. Eine frühestmögliche, strukturierte und koordinierte Unterstützung soll die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass mehr junge Ärztinnen und Ärzte den Weg in die Niederlassung als Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner sowie in die betroffenen Fachrichtungen wählen“, so Ärztekammerpräsident Stefan Kastner.
Ausbildung Allgemeinmedizin wird weiter gestärkt
Bereits 2019 wurde in Tirol begonnen, die Allgemeinmedizin zu fördern. Hierfür erfolgte eine Bedarfsanalyse unter JungärztInnen. Dabei ging man der Frage nach, welche Maßnahmen nötig sind, um AllgemeinmedizinerInnen dabei zu unterstützen, in die Niederlassung zu gehen. Am Landesinstitut für Integrierte Versorgung Tirol (LIV), wurde eine eigene Koordinationsstelle „ÄrzteAusbildung Tirol“ geschaffen, welche gemeinsam mit den Landeszielsteuerungspartnern Land Tirol und Sozialversicherungen, der Tiroler Ärztekammer und dem Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Universität Innsbruck (MUI), Projekte zur Förderung der Allgemeinmedizin plant und umsetzt.
„Dank einem Schulterschluss des Landes und der Sozialversicherungen konnte im August 2022 an der Medizinischen Universität ein Lehrstuhl für Allgemeinmedizin geschaffen werden, welcher das Fach ‚Allgemeinmedizin‘ mit dem Schwerpunkt hausärztliche Versorgung in die universitäre Lehre und Forschung integriert und die Ausbildung der Allgemeinmedizin weiter stärken soll“, betont die Landesrätin. Unter Federführung des Lehrstuhles wurde letztes Jahr ein „Erweiterungsstudium Allgemeinmedizin“ als studienbegleitender Lehrgang ab dem fünften Semester ins Leben gerufen. Dieses liefert vertiefende Einblicke in die Aufgabenbereiche und Einsatzgebiete der Allgemeinmedizin in Tirol. Ergänzend dazu werden vonseiten des Lehrstuhls, der Sozialversicherung und dem LIV Tirol während des Studiums und der klinischen Ausbildung Informationsveranstaltungen zur Vorbereitung auf die Niederlassung angeboten. Der kostenlose Fortbildungslehrgang „Fit für die Niederlassung“ bietet zudem ab Jänner 2024 ÄrztInnen die Möglichkeit, ergänzendes Wissen beispielsweise im betriebswirtschaftlichen Bereich, zu rechtlichen Aspekten oder im Bereich der Personalführung in einem berufsbegleitenden Curriculum zu erwerben.
Nächste Bedarfsanalyse für 2025 geplant
Ausgehend vom Ist-Stand der ÄrztInnen in Tirol nach Fachrichtung und Versorgungsbereich wurde bei der vorliegenden Analyse die Bedarfssituation anhand der erwarteten jährlichen Zu- und Abgänge sowie des Zusatzbedarfes anhand des Regionalen Strukturplans Gesundheit Tirol bis zum Jahr 2025 analysiert. Dabei wurden auch mögliche Pensionierungen sowie der Trend hin zu kürzeren Arbeitszeiten und der höhere Anteil an Frauen unter den Medizinstudierenden berücksichtigt. Die Analyse basiert auf Daten der Ärztekammer, der öffentlichen Tiroler Krankenanstalten sowie der ÖGK und wurde vonseiten des Landes Tirol durchgeführt. Zur Evaluierung der getroffenen Maßnahmen soll im Jahr 2025 die Versorgungssituation erneut bewertet und die Bedarfsanalyse aktualisiert werden.