- LRin Cornelia Hagele: „Auseinandersetzung mit der Geschichte trägt zur Weiterentwicklung unserer kulturellen Identität bei“
- Elf Beiträge überwiegend zur Volkskultur Tirols während der NS-Zeit
- Förderschwerpunkt des Landes zur Erinnerungskultur bis 2028 verlängert und auf 125.000 Euro pro Jahr aufgestockt
Blasmusik, Traditionsverbände oder Volkstanzgruppen – seit vielen Jahrzehnten formen sie die kulturelle Landschaft des Landes mit und haben großen Anteil an der Ausprägung einer gemeinsamen Tiroler Identität. Dennoch blieben volkskulturelle Themen und ihre wechselhafte Geschichte zur Zeit des Nationalsozialismus ein nur am Rande beachteter Forschungsgegenstand. Genau hier setzt Band 2 des Sammelwerks „Vom Wert des Erinnerns“ an. Heute, Montag, fand im Landhaus die Präsentation der neuen Publikation statt – die Fortsetzung des vor vier Jahren veröffentlichten Band 1. Wissenschaftslandesrätin Cornelia Hagele stellte gemeinsam mit dem Direktor des Tiroler Landesarchivs, Christoph Haidacher, und dem Dekan der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Innsbruck, Dirk Rupnow, den zweiten Band vor. Die insgesamt elf Beiträge entstanden im Zuge des Förderschwerpunkts des Landes zur Erinnerungskultur und spannen sich von Blasmusik, Chorwesen und Veranstaltungen wie dem „Tiroler Abend“ über Desertion und Option bis hin zur digitalen Erinnerungslandschaft Tirol (DERLA).
Umfassende Forschungen zu Musikkapellen, Chorwesen und Deserteuren in der NS-Zeit
Mit dem zweiten Teil der Publikation „Vom Wert des Erinnerns“ schließe das Land Tirol weitere Forschungslücken und trage zu einer umfassenden Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der Tiroler Geschichte bei, betonte LRin Hagele: „Die Förderung von Erinnerungskultur bedeutet einen verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Vergangenheit und ein würdiges Andenken an die Opfer des verbrecherischen NS-Regimes. Aus diesem Grund hat die Tiroler Landesregierung bereits im Jahr 2013 die Einrichtung des Förderschwerpunkts Erinnerungskultur beschlossen. Auch in Zukunft wird das Land Tirol auf allen Ebenen eine Kultur des Erinnerns pflegen – deshalb wird der Schwerpunkt bis 2028 verlängert und das Fördervolumen von bislang 100.000 Euro auf 125.000 Euro pro Jahr aufgestockt.“ Neben den Wechselwirkungen von Volkskultur und Nationalsozialismus wurde der Themenkreis um bislang vernachlässigte Aspekte der Tiroler Geschichte erweitert, so zum Beispiel um umfassende Studien zu Deserteuren in Tirol, Südtirol und Vorarlberg.
Ziel: Forschungsergebnisse für breite Öffentlichkeit aufarbeiten
Ziel des neuen Sammelbandes ist es, die Forschungsergebnisse der Jahre 2019 bis 2023 in verständlicher Form für eine breite Öffentlichkeit aufzubereiten: „Eine kritische Auseinandersetzung mit unserer Geschichte trägt ganz wesentlich zur Weiterentwicklung der kulturellen Identität unseres Landes bei. Mit Volkskultur kommen in Tirol früher oder später alle in Berührung – ob selbst als Mitglied eines Traditionsvereins oder bei deren unzähligen Konzerten, Auftritten oder Veranstaltungen. Die zwei Bände der Reihe ‚Vom Wert des Erinnerns‘ widmen sich diesen wenig beforschten Themen unserer Alltagswelt und schaffen ein Bewusstsein für die wechselvolle Geschichte unserer Tiroler Volkskultur während der NS-Zeit“, fasst LRin Hagele zusammen. Ergebnisse aus dem Forschungszeitraum von 2014 bis 2018 flossen in den ersten Teil des Sammelbandes ein, die aktuelle Publikation umfasst Studien und Untersuchungen aus den Jahren 2019 bis 2023.
Insbesondere mit der Ausstellung „Vom Gauhaus zum Landhaus. Ein Tiroler NS-Bau und seine Geschichte“ setzte das Land Tirol ein Zeichen für umfassende Vermittlungsarbeit. Im Zuge der Ausstellung wurde ein breites Rahmenprogramm mit Rundgängen, Vorträgen und Lesungen zu verschiedensten Themen geboten – dazu zählt auch die Präsentation der Publikation „Vom Wert des Erinnerns“, Band 2. Interessierte haben die Möglichkeit, ein Druckexemplar des neuen Buches käuflich im Tiroler Landesarchiv (Kontakt: landesarchiv@tirol.gv.at) für 25 Euro zu erwerben.
Factbox: Inhalt des Sammelwerks „Vom Wert des Erinnerns“, Band 2
- Andrea Sommerauer: Den Marsch blasen. Tiroler Blasmusikkapellen im Wechsel der politischen Systeme.
- Andrea Sommerauer: Von der Vergangenheit ein Lied singen können. Harmonien und Disharmonien im organisierten Chorwesen Nordtirols in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
- Reinhard Bodner: Singen am Rand? Chöre, Politik und Erinnerung in der Bezirks- bzw. Kreisstadt Lienz 1918 – 1945.
- Sandra Hupfauf: Der Tiroler Abend. „Den Fremden gefällt das so.“
- Anna Larl, Manuela Rathmayer, Konrad J. Kuhn: In der Reihe tanzen. Volkstanz im Takt der Ideologien.
- Peter Pirker: Deserteure der Wehrmacht in Tirol, Vorarlberg und Südtirol. Ein Überblick.
- Johannes Kramer: Entziehungen aus den deutschen Streitkräften in Südtirol. Vertiefende Erkenntnisse, neue Kontextualisierungen.
- Ivan Stecher: Projekt „Option museal: Die Südtiroler Option von 1939. Fallstudie Jenbach.“
- Giada Noto: Europaregion Kanaltal: eine Untersuchung des Kanaltalgebiets und seiner transregionalen sowie transnationalen Beziehungen im Zeitraum von 1939 bis 1950.
- Eva Pfanzelter: „Option digital“: Dokumentation der Südtiroler Option von 1939. Projektteil: Digitalisierung der „Optantenkartei“.
- Irmgard Bibermann, Christian Mathies, Horst Schreiber: DERLA. Erinnern an Nationalsozialismus und Holocaust in einer digitalen Lernumgebung.