LRin Pawlata: „Tirol soll Vorreiter in Sachen Inklusion und Selbstbestimmung werden“

„Self-Directed Support“ in Schottland als Best Practice

  • Schottisches Modell zeigt, wie selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Behinderungen ermöglicht werden kann
  • Inklusionspolitischer Austausch mit ehemaligem schottischen Gesundheitsminister Kerr und Dienstleister ENABLE
  • Grundsatz der Selbstbestimmung soll in Tirol im Bedarfs- und Entwicklungsplan als Standard festgeschrieben werden

Jeder Mensch hat grundlegende Bedürfnisse, die essentiell für ein erfülltes Leben sind. Wo möchte ich leben? Mit wem möchte ich Zeit verbringen? Wie möchte ich meinen Tag gestalten? Diese Fragen sollte niemand anders als die Person selbst treffen, so der Grundsatz der Selbstbestimmung. Dieser ist rechtlich in der UN-Behindertenkonvention verankert. Wie es gelingen kann, dass Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben führen können, ist eine Schlüsselherausforderung der Inklusionspolitik – in Tirol genauso wie in anderen Regionen. Diese Woche begab sich Inklusionslandesrätin Eva Pawlata gemeinsam mit FachexpertInnen von Land, Lebenshilfe Tirol und argeSODiT, dem Dachverband der Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen in Tirol, auf Studienreise nach Schottland. In der Royal Society of Edinburgh traf sich die Tiroler Delegation mit Andy Kerr, dem ehemaligen schottischen Gesundheitsminister (2004-2007) und derzeitigem Vorsitzenden der Umsetzungsgruppe für faire Arbeit in der Sozialfürsorge der schottischen Regierung. Kerr hatte maßgeblichen Anteil daran, den „Self-Directed Support“ und damit mehr Kontrolle und Wahlmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen über ihre eigene Unterstützung auf den Weg zu bringen. Im Austausch mit dem führenden Dienstleister ENABLE Scotland in Glasgow konnten vertiefte Einblicke in das System und die Arbeit der schottischen Behindertenhilfe gewonnen werden (mehr dazu in der Presseaussendung vom 12.06.2024).

Die Erkenntnisse der Studienreise sollen in den Tiroler Bedarfs- und Entwicklungsplan (BEP) für die Behindertenhilfe 2025-2032 fließen, an dem aktuell und mit Einbindung aller Stakeholder der Behindertenhilfe – NutzerInnen, Angehörige und DienstleisterInnen – gearbeitet wird.

Von Inklusion profitieren alle

„Inklusion bedeutet, die Bedürfnisse und Entscheidungen einer Person in den Mittelpunkt zu stellen. Damit sind in der Behindertenhilfe zahlreiche Herausforderungen verbunden: Geeigneter Wohnraum wird genauso benötigt wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche die entsprechenden Unterstützungsleistungen erbringen. Im Rahmen der Studienreise gewannen wir zahlreiche Einblicke in Wissenschaft, Praxis und Politik der schottischen Behindertenhilfe. So hat sich gezeigt, dass wir uns denselben Fragen und Aufgaben stellen. Das schottische Modell und die Arbeit von ENABLE beweist eindrucksvoll, dass Selbstbestimmung möglich ist und davon schlussendlich alle profitieren“, betont LRin Pawlata und verweist darauf, dass durch die umfassende Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nicht nur ihre Lebensqualität erhöht, sondern auch ein wichtiger gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Beitrag geleistet werden kann.

„Es ist mir ein Anliegen, diesen Grundsatz der Selbstbestimmung auch in Tirol zu verankern, sodass Tirol Vorreiter in Sachen Inklusion und Selbstbestimmung wird. Wir sind in der Tiroler Behindertenhilfe bereits gut aufgestellt, doch erst am Ziel, wenn alle Menschen im Alltag, beim Wohnen, der Arbeit und Freizeit die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben. Diesen Weg können wir nur gemeinsam gehen und daher freue ich mich auf die Arbeit am Bedarfs- und Entwicklungsplan, mit dem wir erstmals eine fundierte Grundlage für die Weiterentwicklung der Behindertenhilfe in Tirol schaffen.“

Ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen

Die gesetzliche Grundlage für das schottische Inklusionsmodell stellt der „Self-Directed Support Act“ dar – in Tirol ist es das Teilhabegesetz. Um das selbstbestimmte Leben zu ermöglichen, hat Schottland die Art der Unterstützung angepasst: Die großen Anstalten für Menschen mit Behinderungen wurden geschlossen und dort lebende Personen mit der notwendigen Unterstützung in ihre Heimatgemeinden übersiedelt und am Arbeitsmarkt integriert. „Das Persönliche-Assistenz-Modell von ENABLE basiert darauf, das Recht auf selbstbestimmte Unterstützung für jeden Menschen zu verwirklichen. ENABLE übernimmt alle rechtlichen, finanziellen, personellen und technischen Verantwortlichkeiten eines Arbeitgebers, während die Person, für die wir arbeiten, alle Vorteile hat, ihre eigene Assistenz zu beschäftigen und selbst zu entscheiden, was sie jeden Tag tun möchte. Das PA-Modell hat sich als erfolgreich und übertragbar auf eine Reihe von Betreuungsbedürfnissen in Schottland erwiesen. Es hat uns gefreut, Kolleginnen und Kollegen aus Tirol zum Erfahrungsaustausch bei uns zu haben“, erklärt Theresa Shearer, CEO von ENABLE.