Österreichweiter Strategieprozess für die Landwirtschaft

VISION 2028+ zeigt Herausforderungen und Chancen

  • Bund und Land präsentieren Zukunftsthemen für die Tiroler Landwirtschaft und den ländlichen Raum
  • Tiroler Landwirtschaft fordert klare Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln
  • Flächendeckende Landwirtschaft im Berggebiet als Eckpfeiler für das Leben und Wirtschaften im Alpinen Raum
  • Strukturwandel im Westen gedämpft

Vom Weinbau im Osten bis zu den Bergbauern in den Alpen, vom Ackerbau bis zur Milch- und Fleischproduktion, von Obst und Gemüse bis zu Sonderkulturen – Österreichs Landwirtschaft ist stark, einzigartig und vielfältig. Genauso vielfältig sind aber auch die Herausforderungen. „Schwankende Preise, steigende gesellschaftliche Ansprüche bei sinkender Zahlungsbereitschaft oder der Klimawandel – um diesen Hürden zu begegnen, braucht es gerade in unsicheren Zeiten klare agrarpolitische Perspektiven und Rahmenbedingungen. Mit der VISION 2028+ hat der Weg hin zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft ein tragfähiges Fundament“, betont Bundesminister Norbert Totschnig. 3.000 Personen haben sich seit Herbst 2023 am Strategieprozess VISION 2028+ beteiligt. 170 Maßnahmen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft wurden erarbeitet. Heute, Freitag, wurden die Ergebnisse in Tirol präsentiert und diskutiert.

Transparenz ist keine Einbahnstraße

Eine der wesentlichen Forderungen der Tiroler Landwirtschaft ist die klare Kennzeichnung von Lebensmitteln. „Die gläserne Landwirtschaft ist schon lange Realität. Transparenz kann aber keine Einbahnstraße sein. Sie muss entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Stall bis zum Teller gewährleistet sein“, betont Tirols Agrarlandesrat LHStv Josef Geisler.

„Alleine von der Wertschätzung ihrer Arbeit können unsere Betriebe nicht leben. Für die Zukunftsfähigkeit der Betriebe ist ein wirtschaftlicher Erlös unabdingbar. Es muss wieder mehr Wertschöpfung auf den Betrieben bleiben. Ich will, dass wir auch in 20 Jahren eine wettbewerbsfähige, nachhaltige Land- und Forstwirtschaft und einen vitalen ländlichen Raum haben“, sieht Bundesminister Totschnig ein klares Ziel. Hier gelte es zum einen, das Unternehmertum und die Ausbildung in der Landwirtschaft noch stärker in den Vordergrund zu rücken und überbetriebliche Kooperationen in Produktion und Vermarktung zu stärken. Man brauche aber auch eine faire Partnerschaft entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Viele Leistungen rund um die Lebensmittelproduktion

Für Tirol steht nicht nur die Produktion hochwertiger Lebensmittel im Vordergrund, sondern auch die damit verbundenen Ökosystemleistungen für die Gesellschaft als Gesamtes. Eine gepflegte Kulturlandschaft, bewirtschaftete artenreiche Almen, der Schutz vor Naturgefahren sind Grundlage für das Leben im Alpenraum und für den Tiroler Tourismus. Was passieren würde, wenn die bäuerliche Bewirtschaftung großflächig aufgegeben würde und der Wald die Flächen erobert, fasst Professor Ulrike Tappeiner vom Institut für Ökologie an der Uni Innsbruck zusammen: „Tirol würde finster werden.“

„Ohne eine flächendeckende bäuerliche Bewirtschaftung gibt es all diese Leistungen nicht. Wir brauchen gerade im Berggebiet jeden einzelnen Betrieb“, stellt LHStv Geisler klar. Schließen im Österreichschnitt jährlich 0,7 Prozent der Betriebe ihre Türen, sind es in Tirol 0,3 Prozent. Aktuell bewirtschaften rund 11.500 bäuerliche Betriebe rund 218.00 Hektar landwirtschaftliche Fläche und Almen. Die Mehrleistungen der Tiroler Landwirtschaft werden zwar teilweise durch öffentliche Leistungsabgeltungen honoriert, ohne entsprechende Erlöse aus dem Verkauf von Lebensmitteln, können die Aufwendungen aber nicht gedeckt werden. „Wenn es um die Zukunft unserer Ernährung geht, muss der Fokus weiter auf natürlichen und nachhaltigen Qualitätslebensmitteln anstelle von hochverarbeiteten Produkten aus der Fabrik liegen. Mit der Verbindung von Tradition und Innovation können wir unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft erhalten und auch in Zukunft Lebensmittel zu höchsten Qualitäts-, Tierwohl- und Umweltstandards produzieren. Daher ein klares Bekenntnis zur Tierhaltung in Österreich“, hält Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig fest.

Wunsch nach Investitions- und Planungssicherheit

Im Rahmen des Strategieprozesses für eine zukunftsfähige Landwirtschaft wurde auch die Probleme und Sorgen der landwirtschaftlichen Betriebe erhoben. Die Spannungsfelder umfassen dabei vor allem die Wirtschaftlichkeit der Betriebe durch steigenden Kapitalbedarf zur Erhaltung und Modernisierung. Die langfristige Investitions- und Planungssicherheit ist durch Preisschwankungen sowie immer neue Produktions- und Umweltauflagen, die gesetzlich vorgeschrieben oder vom Handel verlangt werden, stark beeinträchtigt. Im Bereich Almwirtschaft stellt die Rückkehr von Großraubtieren wie Wolf und Bär die zukünftige Bewirtschaftung vor enorme Herausforderungen.

Die VISION 2028+ ist nicht das Ende eines umfangreichen Prozesses, sondern der Startschuss für die ersten Umsetzungsschritte. So sind ab Herbst 2024 zielgerichtete Veranstaltungen mit Bäuerinnen und Bauern geplant, um in Tirol eine wettbewerbsfähige, aktive Land- und Forstwirtschaft in einem vitalen, ländlichen Raum weiterzuentwickeln.

Tiroler Landwirtschaft in Zahlen

  • 11.500 bäuerliche Betriebe, davon 2.300 Biobetriebe
  • Durchschnittlich 22.699 Euro jährliches Einkommen/Betrieb
  • Rund ein Drittel Haupterwerbsbetriebe
  • Knapp 40 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe setzen auf Erwerbskombination (Direktvermarktung, Urlaub am Bauernhof, Winterdienst etc.)
  • Land- und forstwirtschaftlicher Produktionswert rund 830 Millionen Euro