- 10-Punkte-Maßnahmenplan für die schrittweise Einführung bis 2026
- Schwerpunkte: Vermittlung, regionale Zusammenarbeit, Personal, Infrastruktur, Ausbildung und Vereinfachung
- Recht auf Kinderbildung und Kinderbetreuung wird 2024/2025 in Pilotregionen erprobt
- Schulterschluss zur Attraktivierung und Anerkennung des PädagogInnen-Berufes
Die Herbstklausur der Tiroler Landesregierung stand im Fokus der Kinderbildung und Kinderbetreuung: Alle Kinder ab zwei Jahren sollen in Tirol ein Recht haben, dass ihnen ein hochwertiger, bedarfsgerechter, leistbarer, ganzjähriger und ganztägiger Kinderbildungs- und Kinderbetreuungsplatz zur Verfügung gestellt wird. „Tirol wird das erste österreichische Bundesland sein, das ein Recht auf Kinderbildung und Kinderbetreuung einführen wird. Ein solches Recht bedeutet für uns, dass wir jedem Kind einen passenden Platz vermitteln – im Wohnort, in der Region, entlang oder am Arbeitsort der Eltern. Das schafft für die Kinder in Tirol die beste frühkindliche Bildung und für die Eltern echte Wahlfreiheit. Damit eine leistbare, ganzjährige, ganztätige und bedarfsorientierte Kinderbetreuung ab dem zweiten Lebensjahr möglich wird, haben wir einen konkreten und machbaren 10-Punkte-Maßnahmenplan beschlossen. Wir nehmen in einem ersten Schritt 50 Millionen Euro in die Hand, investieren in Personal und Infrastruktur, vereinfachen aber auch die Arbeit der Gemeinden und privaten Erhalter und entlasten die Pädagoginnen und Pädagogen. Wir starten 2024/2025 mit Pilotregionen, ab dem Herbst 2026 wird das Recht in ganz Tirol greifen“, verkündet LH Anton Mattle erstmalig in Österreich ein Recht auf Kinderbildung und Kinderbetreuung. Gemeinsam mit LHStv Georg Dornauer, Bildungslandesrätin Cornelia Hagele und Gleichstellungslandesrätin Eva Pawlata präsentierte der Landeshauptmann im Kinderzentrum Kolsass heute, Dienstag, den weiteren Fahrplan. Im Kinderbildungszentrum Kolsass bilden die Gemeinden Kolsass, Kolsassberg und Weer ein Vorreiterbeispiel für eine gemeindeübergreifende Kinderbildung und Kinderbetreuung.
Der Hintergrund für eine stufenweise Umsetzung liege auf der Hand, wie LHStv Dornauer betont: „Der Rechtsanspruch auf ein ganztägiges Bildungs- und Betreuungsangebot ist ein wichtiger Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit und zudem für viele Eltern der notwendige nächste Schritt in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, auf den sie dringend warten. Die jeweiligen Maßnahmen müssen wirken können. Neue Bauprojekte benötigen eine Planungs- und Umsetzungszeit, Kampagnen müssen ihre Wirkung entfalten können. Eine Ausbildung zur Pädagogin bzw. zum Pädagogen dauert zwei bis drei Jahre, sodass das Mehr an Personen, das für diesen Bereich gewonnen werden soll, erst in ein paar Jahren zur Verfügung steht. Ein solcher Zeitrahmen gilt auch für den Bau neuer Einrichtungen. Zudem müssen neue Strukturen erprobt und nicht blind auf alle Gemeinden übergestülpt werden. Deshalb wird es auch eine Pilotphase mit Pilotregionen geben. Wir wollen eine geordnete und ruhige Etablierung des Anspruchs auf den Kinderbildungs- und Kinderbetreuungsplatz, sodass Familien von einem bestmöglichen Angebot künftig profitieren können.“
In zehn Schritten zu neuen Rahmenbedingungen
„Unser Ziel ist klar: Jedes Kind ab zwei Jahren, welches einen Platz braucht, muss in Tirol einen Kinderbildungs- und Kinderbetreuungsplatz finden. Unser Plan steht – die Kinderbildung wird in Tirol weiter gestärkt. Das zentrale Element sind die Pädagoginnen und Pädagogen. Hier wird es Investitionen in Ausbildung und Rahmenbedingungen geben. Wir sind aber auch als gesamte Gesellschaft gefordert, das bestehende Personal entsprechend wertzuschätzen und neue engagierte Pädagoginnen und Pädagogen zu gewinnen. Dazu wird es eine breit angelegte Kampagne geben. Gleichzeitig streben wir die Novellierung des Tiroler Kinderbildungs- und Kinderbetreuungsgesetzes an, mit welcher wir vor allem mehr Flexibilität schaffen und uns aus ‚starren‘ Strukturen lösen wollen“, sagt Bildungslandesrätin Hagele. LRin Pawlata ergänzt: „Vom Recht auf Kinderbildung und Kinderbetreuung profitiert die gesamte Gesellschaft. Es ist auch ein wesentlicher Baustein, um den Gender Pension Gap zu schließen: Frauen haben mehr Möglichkeit, Vollzeit zu arbeiten und eine eigenständige finanzielle Basis zu schaffen. Wenn wir Gleichstellung wollen, müssen wir auch Rahmenbedingungen ändern.“
Beginnend mit ab sofort sollen folgende Schritte umgesetzt werden:
1. Einrichtung von Koordinierungsstellen, digitale Plattform und Start der Pilotregionen
Koordinierungsstellen sind das Bindeglied zwischen Eltern und Gemeinden. Gemeinsam mit den Gemeinden werden sie eine neue digitale Anmelde- und Bedarfserhebungsplattform pflegen. Damit wird zu Beginn ersichtlich, wo Plätze fehlen und ein Ausbau notwendig sein wird. Um dieses System zu prüfen, wird es zuerst in Pilotregionen erprobt. Diese werden in weiteren Planungen definiert und sollen mit Beginn des Betreuungsjahres 2024/2025 starten.
2. Infrastrukturoffensive Kinderbildung und Kinderbetreuung
Für die Jahre 2024 bis 2026 werden zusätzlich 20 Millionen Euro für den Ausbau von Kinderbildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen bereitgestellt. Ziel ist es, dass wohnortnahe – möglichst mit öffentlichen Verkehrsmitteln und möglichst mit maximal circa 15 Minuten Fahrtzeit – Kinderkrippen und Kindergärten geschaffen, modernisiert und erweitert werden. Mit Frühjahr 2024 soll auf Basis erster Bedarfserhebungen der Plan der notwendigen Infrastrukturmaßnahmen vorliegen.
3. Attraktivierung des Dienst- und Besoldungsrechts
Um die Arbeit der PädagogInnen noch mehr wertzuschätzen, das Personal zu entlasten und das Berufsbild zu stärken, wird eine Novelle des Dienst- und Besoldungsrechtes beauftragt. Ein Fokus wird auf die Teamstunden der PädagogInnen gelegt.
4. Imagekampagne zur Personalgewinnung in der Kinderbildung und Kinderbetreuung
In drei Wellen wird unter dem Titel „Wir sind elementar“ eine Kampagne ausgerollt, die pädagogisches Personal halten und wertschätzen sowie neues Personal ansprechen soll. Die erste Kampagnenphase beginnt bereits im Herbst 2023 und wird gemeinsam mit den Sozialpartnern und den öffentlichen und privaten Erhaltern umgesetzt.
5. Auswertung der Bedarfserhebung und des Entwicklungskonzepts
Nachdem die Bedarfserhebungen für die nächsten drei Jahre aller Tiroler Gemeinden vorliegen, werden notwendige Maßnahmen vonseiten der Gemeinden als Erhalter in einem „Entwicklungskonzept“ dargelegt. Dieses wird vonseiten des Landes geprüft und mündet in entsprechenden Empfehlungen – beispielsweise die Erweiterung eines bestehenden Einrichtungsgebäudes oder die Anpassung des Angebots. Mit diesem Schritt ist klar, wie viele zusätzliche Plätze notwendig sein werden.
6. Einrichtung einer Implacementstiftung „Elementarbildung Tirol“
Gemeinsam mit dem AMS Tirol werden Ausbildungsplätze für Assistenzkräfte, pädagogische Fachkräfte und Tageseltern finanziert. Nach ihrer Konzipierung im Herbst 2023 soll die Implacementstiftung sodann arbeitssuchende Personen entsprechend qualifizieren. Mit QuereinsteigerInnen soll der Fachkräftemangel gemildert werden.
7. Ausbau von Betriebskinderbetreuung
Aktuell gibt es in Tirol 30 Kinderbetreuungseinrichtungen, die von Betrieben selbst geführt werden. Diese Zahl soll gesteigert werden. Ein Kinderbetreuungsangebot kann für Unternehmen auch ein Wettbewerbsvorteil am Arbeitsmarkt sein. Zudem bietet das Land bereits Förderungsmöglichkeiten.
8. Ausbau der Tageselternstruktur
Um Versorgungsspitzen in Gemeinden abzufedern, soll auch die Tageselternstruktur ausgebaut werden – konkret mittels weiteren Ausbildungsmöglichkeiten. Im Betreuungsjahr 2022/2023 wurden 559 Kinder unter 15 Jahren von insgesamt 133 Tageseltern betreut. Diese flexible Betreuungsform hat großes Potential, das ausgeschöpft wird.
9. Entwicklung eines Finanzierungskonzepts
Um alle genannten Maßnahmen umzusetzen, braucht es ein fundiertes Finanzierungskonzept. Dieses soll mit Ende des Jahres vorliegen. Das Land investiert bereits rund 144 Millionen Euro jährlich in die Kinderbetreuung. Dieser Betrag wird jedenfalls nochmals erhöht. Für die Einführung des Recht auf Kinderbildung und Kinderbetreuung stehen 50 Millionen Euro zur Verfügung. Unter anderem wird die Förderung von Transportkosten zu den Einrichtungen forciert.
10. Verwaltungsvereinfachung
Bestehende Richtlinien und Maßnahmen werden mit Projektbeginn laufend geprüft und vereinfacht. Zudem sollen die Informationen für Erhalter einfacher und übersichtlich gestaltet werden. Verantwortlich zeichnet dafür ein neues Kibet-Service-Team.
Mit dieser Vorgehensweise will die Landesregierung Lücken erheben und schließen. In all den genannten Schritten sollen auch die Gemeinden und privaten Erhalter sowie die MitarbeiterInnen bestmöglich eingebunden werden. „Wir werden das Recht auf Kinderbildung und Kinderbetreuung gemeinsam mit den Praktikerinnen und Praktikern – also mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Gemeinden und privaten Erhaltern – umsetzen“, laden LH Mattle, LHStv Dornauer, LRin Hagele und LRin Pawlata zur Mitarbeit ein. Im Zuge von BürgermeisterInnen-Konferenzen im Herbst wird der Maßnahmenplan für die Gemeinden im Detail ausgearbeitet.