„Die traditionelle Beschneidung von Mädchen und Frauen zählt zu den schwersten Menschenrechtsverletzungen überhaupt“, stellt Frauenlandesrätin Gabriele Fischer anlässlich des Internationalen Tags gegen weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation – FGM) klar. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) beziffert die Zahl an Mädchen und Frauen, die Opfer dieser grausamen Tradition wurden, mit weltweit etwa 150 Millionen.
„Wir sprechen hier von einem Brauch, einem Initiationsritus, der von keiner Religion befürwortet wird“, betont LRin Fischer. In Österreich leben gemäß einer Schätzung der UN-Sonderbotschafterin Waris Dirie ca. 6.000 bis 8.000 betroffene Frauen. Die Durchführung weiblicher Genitalverstümmelung gilt in Österreich als absichtliche Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen und ist somit strafbar. Weder können Eltern für ihre Kinder, noch eine volljährige Frau für sich selbst in die Genitalverstümmelung mit strafbefreiender Wirkung einwilligen. Die/der TäterIn wird in jedem Fall für derartige Eingriffe strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.
„Mädchen und Frauen werden in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung verletzt. Die Langzeitfolgen sind enorm“, so LRin Fischer. Wichtig seien daher bewusstseinsbildende (Präventiv-)Maßnahmen, die Stärkung von Mädchen durch Bildung und die Integration von Familien mit Migrationsgeschichte. Auch Beratungsstellen tragen einen maßgeblichen Teil der Sensibilisierungsarbeit zu diesem oft noch tabuisierten Thema bei.
Beratung und Begleitung – Aufklärung und Prävention
„Es braucht fundiertes Wissen über weibliche Genitalverstümmelung, das jenen Personen, die mit Mädchen und Frauen arbeiten, zur Verfügung gestellt wird: Aufklärung über medizinische Möglichkeiten, Risiken bei Menstruation oder Geburt müssen in breitem Diskurs besprech- und benennbar werden. Einer unserer Klientinnen wurden nach der Geburt ihres Kindes beispielsweise die Schamlippen wieder zugenäht. Es wurde nicht einmal mit ihr besprochen, was sie wolle. Hier braucht es Aufklärung, Information und Gespräche“, stellt Julia Schratz, Geschäftsführerin DOWAS für Frauen klar.
Eine umfassende Schulung und Sensibilisierung des medizinischen Personals – auch von Hebammen – ist auch für die Bildungs- und Beratungseinrichtung Frauen aus allen Ländern besonders wichtig. „Die medizinischen Gespräche müssen mit Dolmetschunterstützung geführt werden“, betont Leiterin Katarina Ortner. Sensibilisierungs-, Präventions- und Aufklärungsarbeit müsse in geschützten Frauenräumen stattfinden und Multiplikatorinnen aus den jeweiligen Communities miteinbeziehen. „Wir führen aktuell ein Gewaltpräventionsprojekt unter Einbindung von Multiplikatorinnen durch, bei dem es unter anderem um FGM geht“, berichtet Ortner. Auch Männer aus den jeweiligen Communities sollten in die Sensibilisierungs-, Präventions- und Aufklärungsarbeit eingebunden werden – etwa bei Männereinrichtungen, Beratungsstellen etc.
Im Rahmen des Projekts WomEn CARE bietet das Rote Kreuz Tirol sowohl Workshops für betroffene Communities und Berufsgruppen an. „In den Workshops wollen wir für das Thema weibliche Genitalverstümmelung sensibilisieren, informieren sowie Präventionsarbeit leisten. Zudem bieten wir Beratung an – die Beratung richtet sich sowohl an direkt betroffene Frauen, aber auch an Familienangehörige sowie Menschen aus Communities, in denen FGM praktiziert wird“, berichtet Doris Olumba, Bereichsleiterin des Gesundheits- und Sozialdienstes Zusammenleben des Roten Kreuzes Tirol. Dabei wird unter anderem auch mit der Frauenambulanz der Klinik Innsbruck und dem von Land Tirol geförderten Refugee Midwifery Service zusammengearbeitet. Letzteres betreut Schwangere und Wöchnerinnen über Hebammenbesuche und versteht sich als vertrauensvolle Anlaufstelle, in der die Frauen niederschwellig Zugang zu frauenzentrierter Hebammenbetreuung und -beratung erhalten. „Gerade bei einem sensiblen, persönlichen und teilweise schambehafteten Thema wie FGM ist gegenseitiges Vertrauen in der Betreuung unerlässlich. Dadurch soll auch eine bessere Anbindung an das österreichische Gesundheitssystem erreicht werden“, erläutert LRin Fischer.