Tirol sagt Nein zu K.-o.-Tropfen und „Spiking“

Start der tirolweiten Kampagne „NO!K.O.“ der Innsbruck Club Commission

  • Land Tirol stellt dafür 25.000 Euro zur Verfügung
  • Ziel des Präventionsprojektes ist Aufklärung über die Verabreichung von Betäubungsmitteln im Nachtleben
  • Inhalte sind auch Gegenstand der Schulungen von „Luisa ist hier!“

Die Berichte über sexuelle Übergriffe unter Einfluss von Betäubungsmitteln im Nachtleben häufen sich aktuell in mehreren europäischen Ländern. Neben den sogenannten „K.-o.-Tropfen“, bei denen die Substanzen, die die potentiellen Opfer wehrlos machen sollen, unbemerkt in Getränke gemischt werden, werden solche beim „(Needle) Spiking“ über eine Injektion mit einer Nadel verabreicht. In Tirol sind zum aktuellen Zeitpunkt keine Vorfälle von „Spiking“ bekannt. Von der Verabreichung von K.-o.-Tropfen berichten dagegen mehrere Lokale und SystempartnerInnen, wie die Frauennotrufe und die Drogenarbeit Z6. Zur Mobilisierung gegen die Verwendung von K.-o.-Tropfen und „Spiking“ in Tirol hat die Innsbruck Club Commission in Zusammenarbeit mit der Drogenarbeit Z6 sowie dem Verein „Frauen gegen verGEWALTigung“ das Projekt „NO!K.O.“ ins Leben gerufen. Dieses wird nun landesweit umgesetzt. Das Land Tirol fördert das Projekt im Rahmen des Gleichstellungspaketes für das Jahr 2022 mit rund 25.000 Euro. „NO!K.O.“ umfasst eine breitangelegte mediale Kampagne genauso wie die Sensibilisierung von Nachtlokal-BesitzerInnen und -MitarbeiterInnen. Diese erhalten für ihr Betriebe Sticker, Flyer und Infomaterialien zum Auflegen und werden im Rahmen der Schulungen von „Luisa ist hier!“ (siehe Presseaussendung vom 12. August 2022), die ab Herbst 2022 stattfinden, auch im Hinblick auf diese Themen aufgeklärt.

„Jeder Vorfall, in dem junge Frauen in Nachtlokalen durch Betäubungsmittel ‚ausgeknockt‘ und in Folge häufig Opfer von Vergewaltigungen werden ist einer zu viel und muss unbedingt verhindert werden. Hierfür ist es notwendig, die Problematik ganz klar zu benennen: Wir haben – auch in Tirol – in Problem mit gewaltbereiten Männern. Laut einer repräsentativen Studie zu Gewalt an Frauen und Männern vom Österreichischen Institut für Familienforschung aus dem Jahr 2011 wurden drei von vier Frauen in Österreich schon einmal sexuell belästigt und jede dritte Frau erlebte sexualisierte Gewalt. Ein effektiver Gewaltschutz beginnt bei Gewaltprävention: durch niederschwellige Hilfssysteme, durch eine sensibilisierte Gemeinschaft und dadurch, dass Betroffene nicht das Gefühl haben, Angst und Scham empfinden zu müssen. Hierfür ist eine Bewusstseinsbildung, wie sie im Rahmen von ‚NO!K.O.‘ passiert, essentiell“, betont Frauen- und Soziallandesrätin Gabriele Fischer.

Bekanntes Phänomen, neue Dimensionen

Das erhöhte Aufkommen von „K.-o.-Tropfen“ und „Spiking“ erklärt sich Projektleiterin Mona Paschinger von der Innsbruck Club Commission, die das Projekt initiiert hat, damit, dass aktuell eine besonders vulnerable Situation herrsche: „Wenngleich diese Praxis seit vielen Jahren bekannt ist, scheinen die Art und Muster seit der Corona-Pandemie neue Dimensionen angenommen haben. Nachdem in den vergangenen beiden Jahren der Zugang zum öffentlichen Raum, der Umgang mit fremden Menschen und das Verweilen im Nachtleben erheblich reduziert waren, finden sich viele nun zum ersten Mal seit langer Zeit oder auch überhaupt zum ersten Mal in Clubs und Bars unter Alkohol- und Drogeneinfluss wieder. Potentielle TäterInnenmotive wurden gestärkt und auch der internetbasierte Zugang zu Medikamenten wurde durch die Pandemie erleichtert.“ Darüber hinaus stellt Paschinger fest, dass die Achtsamkeit und die Schutzmechanismen zum Teil geschwächt scheinen.

Aufgrund zumeist unsicherer Beweislagen nach einer Verabreichung der genannten Substanzen fehlen jedoch größtenteils valide Daten zu den Straftatbeständen. Außerdem ist davon auszugehen, dass sich nur ein Bruchteil der betroffenen Personen überhaupt Hilfe holt und die Dunkelziffer dementsprechend hoch ist. „Leider wird die Problematik im Allgemeinen in Innsbruck und Tirol aufgrund des Kleinstadtcharakters und der teilweise ländlichen Strukturen tendenziell unterschätzt. Allerdings können gerade unsere viel besuchten und als ‚harmlos‘ interpretierten Räume anfällige Orte für Übergriffe sein“, so Paschinger.

„Safer places“: Aufmerksamkeit schaffen und potentielle TäterInnen abschrecken

Mit „NO!K.O.“ soll die Tiroler Bevölkerung und Clubszene hilfreiche Informationen zur Problematik und den Gegenmaßnahmen von K.-o.-Tropfen und „Spiking“ erhalten, sodass die Nachtlokale zu „safer places“ – also sichereren Orten – werden. „Ziel ist es, Aufmerksamkeit und Bewusstsein zu schaffen, praktische Hinweise zu geben und zu einem offenen und selbstbewussten Umgang mit bestehenden Risiken zu animieren“, sagt Paschinger. Um die meistbetroffene Zielgruppe – junge Frauen – bestmöglich zu erreichen, wird vor allem auf Social Media gesetzt. Darüber hinaus soll eine Plakatkampagne auf die Thematik aufmerksam machen. „Indem sich die Betriebe, etwa durch die Anbringung von Plakaten, als Mitwirkende der Kampagne ausweisen, soll den Gästen klar signalisiert werden, dass das Personal vor Ort für die Problematik sensibilisiert ist. So können betroffene Personen oder Augenzeuginnen und Augenzeugen dazu ermutigt werden, bei einem Zwischenfall das Personal um Hilfe zu bitten. Gleichzeitig sollen Täterinnen und Täter abgeschreckt werden“, führt Paschinger aus. Durch die Kooperation mit der Drogenarbeit Z6 sowie dem Verein „Frauen gegen verGEWALTigung“ kann darüber hinaus konkrete psychosoziale Unterstützung angeboten werden.

Mehr Infos und Unterlagen zu „NO!K.O.“ finden sich unter www.no-ko.at