Zehn Jahre Landesverwaltungsgericht Tirol

Festakt zum Jubiläum im Innsbrucker Landhaus

  • Knapp 30.000 getroffene Entscheidungen und knapp 15.000 durchgeführte Verhandlungen in zehn Jahren
  • Durchschnittliche Verfahrensdauer am LVwG 4,6 Monate

Am 1. Jänner 2014 nahm das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) seine Arbeit auf. Seither entscheiden dort unabhängige RichterInnen über Beschwerden gegen Behördenentscheidungen. Insgesamt knapp 30.000 Rechtsfälle wurden seither abgeschlossen – von Fällen des Bau- und Gewerberechts, über Fälle des Naturschutz-, Wasser- und Abfallrechts, des Agrar- und Grundverkehrsrechts sowie des Abgabenrechts bis hin zu Fällen des Führerschein- und Straßenverkehrsrechts. Heute, Dienstag, feierte das LVwG im Großen Saal in Innsbruck sein zehnjähriges Bestehen. LH Anton Mattle gratulierte dem Landesverwaltungsgericht mit seinem Präsidenten Klaus Wallnöfer ebenso zum Jubiläum wie Landesamtsdirektor Herbert Forster, Präsident des Oberlandesgerichts Wigbert Zimmermann, Präsidentin der Tiroler Rechtsanwaltskammer Birgit Streif und Christian Schmalzl, Leiter des Rechtsbüros der Polizei Tirol.

Meilenstein in der Rechtsstaatlichkeit

In den vergangenen zehn Jahren waren es knapp 15.000 öffentlich-mündliche Verhandlungen, die am LVwG abgehalten wurden. Beschäftigt sind am Gericht heute insgesamt 69 Personen, davon 39 unabhängige RichterInnen und 24 MitarbeiterInnen der Geschäfts- und Evidenzstelle. Sie alle leisten einen wesentlichen Beitrag für die Gerichtsbarkeit in Tirol, wie LH Mattle betont: „Das Landesverwaltungsgericht garantiert einen umfassenden gerichtlichen Rechtsschutz in allen verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten. Die Einrichtung des Landesverwaltungsgerichts im Jahr 2014 gilt als Meilenstein in der Geschichte des österreichischen Verwaltungsrechtsschutzes und damit der Rechtsstaatlichkeit. Dass in den vergangenen zehn Jahren knapp 30.000 Rechtsfälle erledigt worden sind zeigt: Mit dem LVwG können sich die Bürgerinnen und Bürger in Tirol auf eine wichtige Kontrollinstanz und die Landesverwaltung auf ein konstruktives Korrektiv verlassen, die einen wesentlichen und heute unabdingbaren Bestandteil der Gerichtsbarkeit darstellt. Ich gratuliere zum zehnjährigen Jubiläum und bedanke mich für die stets professionelle Arbeit und Wahrung von Professionalität und Integrität. Die unabhängige Gerichtsbarkeit ist eine wesentliche Säule für das Funktionieren unseres Rechtsstaates und unserer Demokratie.“

80 Prozent aller LVwG-Entscheidungen werden sofort akzeptiert

Jährlich entscheidet das Verwaltungsgericht in rund 3.000 Fällen, durchschnittlich sind es 1.400 öffentlich-mündliche Verhandlungen. Damit wird nicht nur Klarheit für die Rechtsschutzsuchenden und die Behörden im konkreten Verfahren geschaffen. Es wird durch die anonymisierte Veröffentlichung der Entscheidung im Rechtsinformationssystem auch dem Transparenzbedürfnis der Bevölkerung Rechnung getragen.

Präsident Klaus Wallnöfer betont dahingehend auch die optimierte Verfahrensdauer und die hohe Akzeptanz der Entscheidungen: Im Durchschnitt entscheidet das LVwG in 4,6 Monaten. Rund 80 Prozent der Entscheidungen werden von den Rechtsschutzsuchenden sofort akzeptiert und bleiben unbekämpft. „Von den bekämpften Entscheidungen wurden in zehn Jahren lediglich 346 vom Verfassungs- bzw. Verwaltungsgerichtshof behoben – das sind insgesamt nur rund 1,2 Prozent aller ergangenen Entscheidungen des LVwG. Und wenn es aus Anlass eines Falles geboten ist, bemüht sich das LVwG Tirol auch um die Rechtsrichtigkeit der anzuwendenden generellen Normen bzw. um die Auslegung unionsrechtlicher Fragen“, verweist Präsident Wallnöfer auf 50 aufgehobene Gesetze und Verordnungen sowie vier Vorabentscheidungen beim Europäischen Gerichtshof, die auf Anträge des LVwG zurückgehen: „Diese Zahlen zeigen, dass das LVwG eine Rechtsinstanz mit Kraft ist. Mein Dank gilt den Richterinnen und Richtern sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Geschäfts- und Evidenzstelle: Durch das engagierte und professionelle Wirken können Rechtsfälle höchst professionell unter stetiger Wahrung ihrer Unabhängigkeit abgewickelt werden. Unser Fokus lag und liegt auch künftig auf einer sachlichen und raschen Verfahrensabwicklung. Zudem werden wir uns auch weiterhin um die Ausbildung versierter Juristinnen und Juristen bemühen – es sind laufend bis zu fünf juristische Verwaltungspraktikantinnen und -praktikanten am LVwG tätig.“ Insgesamt befanden sich in den vergangenen zehn Jahren knapp 100 PraktikantInnen am LVwG in Ausbildung.

Tausende Entscheidungen pro Jahr durch die Tiroler Landesverwaltung

Welches potentielle Ausmaß an Fällen das Landesverwaltungsgericht theoretisch beschäftigen könnte, zeigt die Zahl an Verwaltungsentscheidungen: „Von der Tiroler Landesverwaltung werden aktuell pro Jahr tausende Entscheidungen erlassen. Für jede einzelne dieser Entscheidungen besteht die Möglichkeit, Beschwerde einzulegen. Denn auch wenn in allen Behörden der Tiroler Landesverwaltung höchst professionell gearbeitet wird, ist es für jede Bürgerin und jeden Bürger auch wesentlich, solche Entscheidungen anfechten zu können – das ist das gute Recht der Bevölkerung in einem Rechtsstaat. Ich bin überzeugt, dass mit der Einrichtung der Landesverwaltungsgerichte vor zehn Jahren ein wichtiger und richtiger Schritt gesetzt wurde und wünsche dem LVwG für die weiteren Jahre alles Gute“, so Landesamtsdirektor Forster.

Weitere Statements

Wigbert Zimmermann, Präsident des Oberlandesgerichts: „Mit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz hat der Justizgewährungsanspruch eine neue Dimension erhalten, er wurde um den gerichtlichen Rechtsschutz in Verwaltungsangelegenheiten und in Verwaltungsstrafsachen erweitert. Insoweit war und ist diese Reform eine große Erfolgsgeschichte. Eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für die Zukunft wird sein – das gilt auch für die ordentliche Gerichtsbarkeit -, ausreichend interessierte und fachlich qualifizierte Juristinnen und Juristen zu gewinnen, die bereit sind, diese verantwortungsvolle Tätigkeit als Organe der dritten Staatsgewalt auszuüben. Es gilt meines Erachtens aber auch, Reformen in Angriff zu nehmen, die für die Ernennungen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausschließlich richterliche Gremien vorsehen, wie das in der ordentlichen Gerichtsbarkeit der Fall ist und auch europäischen Standards entspricht.“

Birgit Streif, Präsidentin der Tiroler Rechtsanwaltskammer: „Landesverwaltungsgerichte haben sich in den letzten zehn Jahren zu unverzichtbaren Säulen des Rechtsschutzes für die Bevölkerung entwickelt. Aus Sicht der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bieten sie eine wichtige Möglichkeit, Verwaltungsentscheidungen effektiv überprüfen zu lassen. Dennoch sehen wir in der Verfahrensdauer und der zunehmenden Komplexität der Fälle Herausforderungen für die Zukunft, an denen wir gemeinsam weiterarbeiten müssen.“

Christian Schmalzl, Leiter der Rechtsabteilung der Polizei Tirol: „Die LPD ist Dienstbehörde für circa 2.500 Exekutivbedienstete der Bundespolizei, die 24/7 unter anderem kriminal-, sicherheits-, verkehrs- oder fremden­polizeilich amtshandeln. Deren Anzeigeerstattungen und Maßnahmen sind Basis für diverse Verfahren der Behörden. Der Rechtschutz beim LVwG ist ein wichtiges Korrektiv, bewirkt aber durch das Verhandlungs­prinzip auch einen immensen Ressourcenaufwand. Um die Herausforderungen zu bewältigen, ist die gelebte Systempartnerschaft eine unverzichtbare Voraussetzung.“


Über das Landesverwaltungsgericht Tirol

Die Verwaltungsgerichte lösten im Jahr 2014 den vorher bestehenden verwaltungsinternen Rechtszug ab und traten an die Stelle der vormaligen „Unabhängigen Verwaltungssenate“ und zahlreicher Sonderbehörden. In Tirol wurde zudem von Beginn an auch der – verfassungsrechtlich noch zulässige – gemeindeinterne Instanzenzug gänzlich abgeschafft. Damit hat jedermann einen niederschwelligen und kostengünstigen Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz in sämtlichen ihn betreffenden Verwaltungsangelegenheiten.