Zehn Jahre „Transparenzprozess“ in Behindertenhilfe

Land und SystempartnerInnen ziehen Bilanz

  • Plenumssitzung mit VertreterInnen aus Politik, Landesabteilungen, DienstleisterInnen sowie NutzerInnen- und Angehörigenvertretung
  • Normkostenmodell als eine zentrale Errungenschaft
  • Zusammenarbeit im Rahmen der Covid-Pandemie als Best-Practice-Beispiel
  • Tiroler Aktionsplan (TAP) und Teilhabegesetz samt Österreichischem Verwaltungspreis als Meilensteine

Die Entwicklung von Leistungsbeschreibungen und Qualitätsstandards, die Ausarbeitung einer Ausbildungs-Matrix und der Abschluss des Normkostenmodells – das sind nur drei der Erfolge, welche das Land Tirol und die SystempartnerInnen in der Behindertenhilfe im Rahmen des sogenannten „Transparenzprozesses“ erzielen konnten. 2012 gestartet, geht der Prozess heuer in sein zehntes Arbeitsjahr. Vor Kurzem trafen sich alle am Transparenzprozess Beteiligten im Landhaus in Innsbruck: Dazu gehören VertreterInnen aus der Politik, den Abteilungen des Landes und der DienstleisterInnen sowie Mitglieder der NutzerInnen- und der Angehörigenvertretung.

„Wir müssen im Bereich der Behindertenhilfe konstant daran arbeiten, unser Land so zu gestalten, dass alle Menschen ihren eigenen Weg schaffen und ihren Alltag bestmöglich bestreiten können. Die Zusammenarbeit im Rahmen des Transparenzprozesses hat sich dabei als sehr konstruktiv und fruchtbar erweisen. Wir haben die Angebots- und Unterstützungslandschaft für Menschen mit Behinderungen in Tirol wesentlich ausgebaut – sowohl quantitativ als auch qualitativ. Durch Maßnahmen wie die Stärkung der NutzerInnenvertretung, die Schaffung der Schlichtungsstelle oder die Rekonstituierung des Teilhabebeirates sind Betroffene zudem zu einer noch aktiveren Mitgestaltung in der Behindertenhilfe ermächtigt worden“, resümiert Soziallandesrätin Gabriele Fischer.

Als Ansprechpartner für das Land Tirol fungiert der Dachverband der sozialen Dienstleister, die argeSODiT. „Der Dachverband vertritt die Interessen von 32 Mitgliedsvereinen und damit von insgesamt 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese begleiten rund 10.000 Nutzerinnen und Nutzer. Das Ziel des Transparenzprozesses ist der institutionalisierte Dialog zwischen dem Land Tirol und den verschiedenen Interessengruppen und die Festlegung einer gemeinsamen Arbeitsweise. Es war ein anspruchsvoller Weg, aber gemeinsam haben wir viele positive Weiterentwicklungen erreichen können. Mit der Entwicklung des Normkostenmodells wurde ein wesentlicher Beitrag geleistet, um die im Tiroler Teilhabegesetz definierten Leistungen qualitätsvoll umsetzen zu können“, führt Ludwig Plangger, Obmann der argeSODiT, aus.

Das Normkostenmodell

Gleiche Leistungen, gleiche Standards, gleiche Tarife – auf diesen Grundsätzen basiert das Normkostenmodell, das die zentrale Errungenschaft des Transparenzprozesses darstellt. „Es garantiert, dass landesweit und unabhängig davon, welche Einrichtung eine Leistung erbringt, die gleichen Tarife gewährt werden. Dies bedeutet in der Praxis: qualifiziertes Personal und professionelle Begleitung von Menschen mit Behinderung. Mit der stufenweisen Implementierung des Normkostenmodells wurde 2016 begonnen, seit zwei Jahren ist die Umsetzung abgeschlossen“ erklärt Marina Schett von der Abteilung Inklusion und Kinder- und Jugendhilfe des Landes Tirol.

Behindertenhilfe in Krisenzeiten

Als ein Best-Practice-Beispiel in der Zusammenarbeit von Land Tirol und SystempartnerInnen in der Behindertenhilfe dient laut dem Plenum das Vorgehen während der Corona-Pandemie. So wurde im Frühjahr 2020 das Krisengremium Covid-19-Behindertenhilfe eingerichtet. „Für uns als NutzerInnenvertretung war das Krisengremium die erste Anlaufstelle für Informationen. Durch den Austausch mit unseren Mitgliedern konnten wir dem Krisengremium unmittelbar rückmelden, wo Notwendigkeiten bestehen oder bei welchen Maßnahmen nachgebessert werden muss. So wurde zum Beispiel eine barrierefreie Anmeldung zur Corona-Impfung auf den Weg gebracht. Das Krisengremium indes übernahm die Abstimmung mit den diversen zuständigen Stellen“, führt Vorsitzende Heike Moroder Tirol aus.

In Abstimmung mit der Landeseinsatzleitung erarbeitete das Krisengremium ein Konzept zum bestmöglichen Schutz für NutzerInnen und MitarbeiterInnen. Auf der Website des Landes werden Informationen zum Coronavirus sowie den geltenden Regelungen in einfacher Sprache veröffentlicht. Für Menschen mit Lernschwierigkeiten wurde darüber hinaus eine eigene Beratungshotline eingerichtet.

Neue rechtliche Grundlagen

Auch auf gesetzlicher Ebene wurden in der Tiroler Behindertenhilfe in den vergangenen Jahren Meilensteine gesetzt. So bekannte sich die Landesregierung 2019 zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Damit einher geht die Erstellung eines Tiroler Aktionsplanes (TAP). Im Jahr 2018 trat das Tiroler Teilhabegesetz in Kraft, welches das Rehabilitationsgesetz aus dem Jahr 1983 ersetzt. Eine Schlüsselrolle bei seiner Erarbeitung nahm das „Transparenz-Team“ des Transparenzprozesses ein. Für die partizipative Vorgehensweise im Vorfeld der Novelle wurde das Land Tirol mit dem Österreichischen Verwaltungspreis ausgezeichnet.

Mit dem Tiroler Teilhabegesetz nahm auch der neue Teilhabebeirat (zuvor Behindertenbeirat) seine Arbeit auf. Er berät die Landesregierung in Angelegenheiten der Behindertenhilfe und trifft sich mehrmals jährlich mit LRin Fischer. „Im Teilhabebeirat vertreten sind Mitglieder der NutzerInnen- und der Angehörigenvertretung, der DienstleisterInnen, der Arbeiter-, der Wirtschafts- und der Landwirtschaftskammer sowie der Gemeinden und der Stadt Innsbruck. Für die Landesverwaltung werden außerdem zwei Landesbedienstete nominiert. Da Behinderung eine Querschnittsmaterie ist, die alle Lebensbereiche umfasst, ist der Austausch zwischen den Vertreterinnen und Vertretern im Teilhabebeirat besonders wichtig“, legt Vorsitzende Maria Kerber dar.