Szenische Lesung erinnert an NS-Prozess am Originalschauplatz

Szenische Lesung zum Reichenau-Prozess am Originalschauplatz von 1948 im Landhaus

  • Reichenau-Prozess als einer der größten Prozesse der alliierten Nachkriegsjustiz in Österreich

Das öffentliche Interesse an der Veranstaltung „Zeitgeschichte vor Gericht. Der Reichenau-Prozess 1948 im Alten Landhaus in Innsbruck“ war so groß, dass die szenische Lesung aus dem Prozessprotokoll am vergangenen Mittwoch gleich zwei Mal am Originalschauplatz im Parissaal stattfand – um 18 und 20 Uhr. Die Schauspieler Rainer Egger und Johann Nikolussi gaben die Vernehmung von Werner Hilliges aus dem Jahr 1948, also vor genau 75 Jahren, wieder: Der frühere Gestapo-Chef von Innsbruck war in der NS-Zeit für das Lager Reichenau zuständig, wo nachweislich weit über 100 Menschen ermordet wurden oder durch unmenschliche Behandlung den Tod fanden. Vor dem französischen Militärtribunal musste sich der gebürtige Berliner dann für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, unter anderem wegen der Ermordung von Egon Dubsky verantworten. Hilliges hatte den Besitzer der ersten Tiroler Essig-, Spirituosen- und Likörfabrik im Jahr 1943 erschossen. Die Lesung fand im Zuge des Veranstaltungsprogrammes zur aktuellen Ausstellung „Vom Gauhaus zum Landhaus. Ein Tiroler NS-Bau und seine Geschichte“ statt.

Auch LH Anton Mattle besuchte die Lesung, die von Matthias Breit, Leiter des Gemeindemuseums Absam, gestaltet wurde. Die musikalische Begleitung erfolgte durch Matthias Legner mit Kompositionen der beiden früheren Reichenau-Häftlinge Bert Breit und Peter Zwetkoff. Demnächst wird dieser Abend als Podcast des Gemeindemuseums Absam (www.absammuseum.at) zur Verfügung stehen. „Die Aufbereitung der NS-Geschichte auf unterschiedliche Art und Weise ist wesentlich, um Bewusstsein zu schaffen. Wir wollen auf Augenhöhe aufklären und bewusstmachen, wohin Intoleranz und Demokratiefeindlichkeit führen können, und uns gemeinsam gegen totalitäre Tendenzen stellen“, sagte LH Mattle. „Die Zeit hat die Gräueltaten des Nationalsozialismus verblassen lassen. Umso wichtiger ist es, dass wir mit der Ausstellung ‚Vom Gauhaus zum Landhaus‘ und den verschiedenen Veranstaltungsformaten gerade junge Menschen auf Augenhöhe erreichen“, führt der Landeshauptmann aus.

Vorschau auf Peter Pirker-Vortrag „Deserteure der Wehrmacht“

Die Ausstellung „Vom Gauhaus zum Landhaus“ im Landhaus 1 ist bis 4. Mai 2024 kostenfrei täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet, ausgenommen sind Sonn- und Feiertage. Zu beachten sind etwaige Schließtage rund um die Weihnachtsfeiertage. Um Wartezeiten zu vermeiden, ist für Gruppenbesuche eine Anmeldung auf der Website der Ausstellung notwendig. Unter dieser Webadresse ist auch das Vermittlungsangebot für Schulklassen abrufbar.

Ebenso bis Mai 2024 läuft das Rahmenprogramm: Die erste Veranstaltung im neuen Jahr ist bei freiem Eintritt ein Vortrag des Zeithistorikers Peter Pirker über die Deserteure der Wehrmacht und ihre Helferinnen am 9. Jänner 2024 um 18 Uhr im Großen Saal im Landhaus 1.

Weitere Veranstaltungen finden sich unter www.tirol.gv.at/erinnern