Grenzüberschreitender Austausch zum Modell der „Persönlichen Assistenz“

LRin Pawlata trifft LH Kompatscher und LRin Pamer aus Südtirol

  • „Persönliche Assistenz“ als Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderungen
  • In Tirol überdurchschnittlich viele BezieherInnen: 550 Personen im Jahr 2023
  • Gemeinsamer Besuch von „Selbstbestimmt Leben“ und „Peer Beratung Tirol“

Gestern, Dienstag, empfing LRinEva Pawlata Südtirols LH Arno Kompatscher und LRinRosmarie Pamer in Innsbruck. Im Zentrum des Austauschs stand das Modell der „Persönlichen Assistenz“: AssistentInnen unterstützen Menschen mit Behinderungen bei allen Tätigkeiten, die sie aufgrund ihrer Behinderung nicht selbst ausführen können. In Tirol ist der Grundsatz „mobile vor stationäre Leistungen“ im Teilhabegesetz verankert und es besteht ein Rechtsanspruch für die „Persönliche Assistenz im Freizeitbereich“. Diese umfasst alle Alltagstätigkeiten: von Grundbedürfnissen wie Körperpflege über Haushalt bis zur Unterstützung in weiteren Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Für die „Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz“ gelten bundesrechtliche Vorschriften. In Tirol gibt es überdurchschnittlich viele BezieherInnen: 2023 nahmen 550 Personen die „Persönliche Assistenz im Freizeitbereich“ bei Dienstleistern in Anspruch. Österreichweit waren es laut dem Österreichischen Behindertenrat rund 2.000 Personen, die eine „Persönliche Assistenz im Freizeitbereich“ nach landesrechtlichen Vorschriften nutzten. In Südtirol steht Menschen mit Behinderungen der Beitrag „Selbstbestimmtes Leben und gesellschaftliche Teilhabe“ zur Verfügung. Er soll zur Deckung der Kosten für die Persönliche Assistenz für ein selbstbestimmtes Leben beitragen und wird zusätzlich zum Pflegegeld ausbezahlt. Im Jahr 2023 haben 15 Personen durchschnittlich 22.200 Euro im Jahr bezogen. Zusätzlich können Dienstleistungen der Hauspflege in Anspruch genommen werden: Rund 432 Menschen haben dies im Jahr 2023 genutzt.

„Wie es gelingen kann, dass Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben führen können, ist eine Schlüsselherausforderung der Inklusionspolitik – in Tirol und Südtirol genauso wie in anderen Regionen. Die ‚Persönliche Assistenz‘ ist eine der wesentlichsten Rahmenbedingungen für ein selbstbestimmtes Leben. Wir sind in Tirol bereits sehr gut aufgestellt: Die hohe Nachfrage zeigt, dass die Unterstützung ankommt und den Bedürfnissen der Betroffenen entspricht. Wir forcieren daher weiter den Ausbau dieser Leistung“, sagt LRin Pawlata.

Erst im Juni dieses Jahres war die Inklusionslandesrätin gemeinsam mit FachexpertInnen von Land, Lebenshilfe Tirol und argeSODiT, dem Dachverband der Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen in Tirol, auf Studienreise in Schottland, um Einblicke in das System und die Arbeit der schottischen Behindertenhilfe zu gewinnen (mehr dazu in der Presseaussendung vom 12. Juni 2024). Derzeit wird mit Einbindung aller Stakeholder der Behindertenhilfe – NutzerInnen, Angehörige und DienstleisterInnen – am Tiroler Bedarfs- und Entwicklungsplan (BEP) für die Behindertenhilfe 2025-2032 gearbeitet.

„Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. In Innsbruck konnten wir dank den fachkundigen Ausführungen der Expertinnen und Experten einen sehr guten Einblick in das Modell der Persönlichen Assistenz erhalten. Der grenzüberschreitende Austausch ist in dieser Hinsicht sehr wertvoll und eröffnet für beide Seiten neue Perspektiven,“ erklärt der Südtiroler LH Arno Kompatscher. Auch LRin Pamer nimmt vom Besuch in Innsbruck viele interessante Inputs mit: „Jeder Mensch möchte unabhängig und selbstbestimmt sein eigenes Leben planen und leben. Als Politik sind wir gefragt, die geeigneten Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Gute Praxisbeispiele, wie jenes, das wir in Innsbruck kennen gelernt haben, sind ideal, um Maßnahmen passgenau und auf die Nutzenden ausgerichtet entwickeln und umsetzen zu können“, betont Pamer. Der Landeshauptmann und die Soziallandesrätin dankten daher für den offenen und konstruktiven Austausch mit der Tiroler Landesrätin.

Weiterentwicklung der „Persönlichen Assistenz“

Gemeinsam mit dem Sozialministerium, den Bundesländern Salzburg und Vorarlberg sowie unter Einbindung der Behindertenverbände erarbeitete das Land Tirol eine Förderrichtlinie des Bundes zur einheitlichen Handhabung der „Persönlichen Assistenz“. Nach dieser Richtlinie, die seit dem Vorjahr in Kraft ist, beteiligt sich der Bund an den Kosten der Länder für die „Persönliche Assistenz“, sofern sie sich an die vereinbarten Kriterien halten.

So sollen in ganz Österreich einheitliche Regelungen zum Einsatz kommen und es darüber hinaus auch eine gemeinsame Anlaufstelle für die „Persönliche Assistenz“ in allen Lebensbereichen – also Freizeit und Arbeit – geben. Aktuell ist die Finanzierung bis 2025 gesichert. Im Rahmen der SozialreferentInnenkonferenz in Kärnten im Mai 2024 forderten die Länder eine langfristige Finanzierungszusage des Bundes.

Einblicke in die Praxis

Im Anschluss an den Austausch im Landhaus besuchten die Regierungsmitglieder „Selbstbestimmt Leben“, eine Interessensvertretung von Menschen mit Behinderungen in Tirol, die auch bedarfsgerechte „Persönliche Assistenz“ anbietet. Einen weiteren Besuch stattete die Delegation dem Verein „Peer Beratung Persönliches Budget Tirol“ ab. Er wurde von Menschen mit Behinderungen gegründet, um Betroffene zu beraten und bei der Organisation und Abwicklung des „Persönlichen Budgets“ zu unterstützen. Das „Persönliche Budget“, das im Rahmen des Tiroler Teilhabegesetzes eingeführt wurde, können Menschen mit Behinderungen anstelle von Sachleistungen erhalten und für „Persönliche Assistenz“ und mobile Begleitung in Anspruch nehmen.