- Ehrenamtliche Rechtsservicestelle der Alpenkonvention geht von praxisfernen Annahmen aus
- EU-Rechtsexperte Obwexer: „Umsetzung des Fernpass-Pakets entspricht den Bestimmungen des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention“
- Keine Kapazitäts- oder Leistungssteigerung durch Fernpasstunnel und zweite Röhre Lermooser Tunnel
- Fernpassstraße wird auch nach dem Bau des Fernpasstunnels nicht zu einer „hochrangigen Straße“
- Position des Landes Tirol durch Rechtsgutachten abgesichert – auch an 7,5t-Fahrverbot für LKW wird nicht gerüttelt
- Land Tirol hält an Umsetzung des Fernpass-Pakets fest
In aller Deutlichkeit weist die Tiroler Landesregierung heute die Annahmen der ehrenamtlichen Rechtsservicestelle der Alpenkonvention (CIPRA) zurück, wonach der Bau des Fernpasstunnels zu einem Kapazitätsausbau der gesamten Fernpassstrecke führe und damit als Widerspruch zur Alpenkonvention stehe. „Die ehrenamtliche Rechtsservicestelle der Alpenkonvention geht bei ihrer Einschätzung von praxisfernen und teils rein theoretischen Annahmen aus, die mit der Praxis nichts zu tun haben. Weder der Fernpasstunnel, noch die zweite Röhre des Lermooser Tunnels führen zu einer Kapazitäts- und Leistungssteigerung auf der gesamten Fernpassstrecke. Im Gegenteil: Wir setzen gemeinsam mit den Standortgemeinden ein Fernpass-Paket um, welches die Verkehrsflüssigkeit und -sicherheit verbessert – von einem Ausbau kann in keinster Weise die Rede sein. Dass sogar die zweite Röhre des Lermooser Tunnels als ‚Ausbau‘ tituliert wird, ist ein Affront gegen die vom Ausweich- und Umleitungsverkehr geplagte Bevölkerung im Ehrwalder Becken. Die zweite Röhre des Lermooser Tunnels ist notwendig, um die heute geltenden Sicherheitsstandards zu erreichen, die untertunnelte Verbindung aufrechtzuerhalten und einen Verkehrskollaps im Ehrwalder Becken zu verhindern. Zudem gibt es zahlreiche weitere Maßnahmen, um umliegende Ortschaften und Regionen weiter zu entlasten. Man denke hier zum Beispiel an die bestehenden Verkehrsdosieranlagen in Reutte, Vils und das Dosiersystem im Bereich des Lermooser Tunnels. Hier wird geprüft, ob die Zahl der Fahrzeuge pro Stunde nochmals verringert werden kann. Auch die Kontrollen des 7,5t-Fahrverbots für LKW sollen weiter intensiviert werden. Diese Maßnahmen sind für die Landesregierung entscheidend und ein wesentlicher Teil der Fernpass-Strategie“, zeigt LHStv Josef Geisler einmal mehr in aller Deutlichkeit auf.
Rechtsgutachten widersprechen Rechtsmeinung der Rechtsservicestelle der Alpenkonvention klar
Um zu klären, dass es sich beim Bau des Fernpasstunnels eben nicht um eine Leistungs- und Kapazitätssteigerung und damit um einen Ausbau zu einer hochrangigen Straße handelt, und dass das derzeit geltende 7,5t-LKW-Fahrverbot aufrechterhalten werden kann, hat das Land Tirol bereits in den Jahren 2014, 2018 und 2019 drei Rechtsgutachten von ausgewiesenen Rechtsexperten eingeholt (transparent einsehbar unter www.tirol.gv.at/fernpass | Bereich „Maßnahmenbündel“). Alle drei Gutachten sind sich einig, dass ein Bau des Fernpasstunnels nicht zu einem Fall des 7,5t-Fahrverbots führen würde, sondern das Fahrverbot weiter bestehen bleiben kann. EU-Rechtsexperte Walter Obwexer von der Universität Innsbruck betont heute: „Die Umsetzung des Fernpass-Pakets entspricht den Bestimmungen des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention. Sowohl der Bau des Fernpasstunnels als auch die zweite Röhre des Lermooser Tunnels dienen primär der Straßenverkehrssicherheit und nicht einer Kapazitätserweiterung. Zusätzlich ist die Fernpassstraße keine ‚hochrangige Straße‘ im Sinne des Verkehrsprotokolls und auf den inneralpinen Verkehr beschränkt. Die vom Land Tirol geplanten Maßnahmen sind rechtlich fundiert und mit den Zielen der Alpenkonvention vereinbar.“
Der renommierte Universitätsprofessor Arno Kahl vom Institut für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungslehre an der Universität Innsbruck schreibt in seinem Gutachten darüber hinaus zu möglichen Bedenken betreffend Einhaltung der Alpenkonvention:
„Die Fernpassstraße ist auch nach Errichtung des Scheiteltunnels weder eine Autobahn noch eine mehrbahnige, kreuzungsfreie Straße noch eine in ihrer Verkehrswirkung vergleichbare Straße.“
„Die Fernpassstraße ist derzeit keine hochrangige Straße im Sinne des Art 11 Abs 2 VP. Sie würde auch durch die Errichtung des Scheiteltunnels nicht zu einer hochrangigen Straße werden. Daher sind sowohl Art 11 Abs 1 als auch Abs 2 VP nicht auf die Realisierung des Tunnels anwendbar und stehen dieser somit nicht im Weg.“
Auch zum 7,5t-Fahrverbot für LKW ist Professor Kahl ebenso deutlich:
„Auch im Falle der Realisierung des Fernpassscheiteltunnels darf das Fahrverbot für LKW mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von über 7,5 Tonnen aufrechterhalten werden. Die gesetzlichen Bestimmungen sprechen vor dem Hintergrund der durchgeführten verkehrlichen Sachverständigenanalysen sogar für eine rechtliche Pflicht der Aufrechterhaltung des LKW-Fahrverbots auch nach der Tunnelerrichtung.“
Mit Umsetzung des Fernpass-Pakets wird Fernpass keine „hochrangige Straße“
Auch Landesbaudirektor Christian Molzer erläutert fachlich, dass die Umsetzung des Fernpass-Pakets eben nicht dazu führt, dass die Fernpassstraße zu einer hochrangigen Straße wird. „Die Fernpassstraße wird auch nach dem Bau des Fernpasstunnels nach wie vor beinahe auf der gesamten Länge mit einem Fahrstreifen pro Richtung geführt. Durch die Umsetzung des Fernpass-Pakets ergibt sich also keine Leistungssteigerung auf der B 179 Fernpassstraße. Zudem bleiben auf der Strecke mehrfach Geschwindigkeitsbeschränkungen, die durch Taleinschnitte bedingt sind, in denen die Straße nur enge Kurvenradien aufweist, bestehen. Die Verkehrswirkung ist damit in keinem der relevanten Punkte ähnlich einer Autobahn, Schnellstraße oder vergleichbaren hochrangigen Straße“, führt der Landesbaudirektor aus.
„Die Querschnittswahl des Fernpasstunnels – im Tunnel zwei Fahrstreifen bergwärts, ein Fahrstreifen talwärts – ergibt sich aus den technischen Richtlinien, welche ab einer gewissen Längsneigung eine zweite Fahrspur bergwärts vorschreiben. Die Zielsetzung der Errichtung der zweiten Röhre des Lermooser Tunnels ist die Herstellung des entsprechend den gültigen Richtlinien erforderlichen Sicherheitsstandards. Die beiden Röhren werden einstreifig betrieben“, führt der Landesbaudirektor weitere fachliche Gründe aus, warum die Errichtung der Tunnel nicht dazu führt, dass die Fernpassstraße zu einer hochrangigen Straße wird.
Land Tirol hält an Umsetzung des Fernpass-Pakets fest
Vor dem Hintergrund der bereits erfolgten rechtlichen, als auch fachlichen Absicherung wird das Land Tirol an der Umsetzung des Fernpass-Pakets weiter festhalten. Umwelt- und Verkehrslandesrat René Zumtobel sagt: „Die aktuelle Verkehrssituation entlang des Fernpasses ist allen voran für die Bevölkerung der Bezirke Reutte und Imst unzumutbar. Nichts zu tun, ist keine Lösung. Der Tiroler Landesregierung geht es beim Fernpass-Paket um die Erhöhung der Verkehrssicherheit und darum, diese zentrale Verbindung zwischen dem Außerfern und dem Inntal für die Anwohnerinnen und Anwohner planbarer zu machen. Wir sagen klar nein zu einer neuen Transitroute und halten am 7,5t-Fahrverbot für LKW fest. Wir setzen uns zudem für den Bau eines Fernpass-Bahntunnels ein, der von der Bundesregierung umgesetzt werden muss.“
Bei all den Maßnahmen gelte es nun noch mehr als bisher, mit der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen. „Wir werden weiterhin sachlich informieren und sprechen uns klar für ein Miteinander aus. Unser erklärtes Ziel ist es, das Fernpass-Paket gemeinsam mit der Bevölkerung umzusetzen und die Vorort-Mobilität, sowie die Anbindung Außerfern-Inntal für unsere Bevölkerung langfristig sicherzustellen.“ So werden laufend zahlreiche Anregungen aus der Bevölkerung geprüft – unter anderem ist dies beispielsweise die Erweiterung der Regiobuslinie Reutte – Innsbruck oder auch eine Fußgänger- und Radbrücke bei Biberwier.
Fernpassstraße GmbH
Damit auch die Planungen für die Mautinfrastruktur fortgesetzt werden können, beschloss die Tiroler Landesregierung kürzlich auch die Gründung der Fernpassstraße GmbH. Sie wird künftig auch für den Erhalt der B 179 Fernpassstraße verantwortlich zeichnen. Die Geschäftsführung der Fernpassstraße GmbH wird in Kürze ausgeschrieben.
Infobox: Alpenkonvention und die Rechtsservicestelle
Die Alpenkonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der auf eine nachhaltige Entwicklung und den Schutz der Alpen abzielt. Für ihre Umsetzung existieren spezifische Durchführungsprotokolle, darunter das Protokoll „Verkehr“, das in Österreich am 18. Dezember 2002 in Kraft trat. Unterzeichner der Alpenkonvention sind die Alpenstaaten Deutschland, Frankreich, Italien, Liechtenstein, Monaco, die Schweiz, Slowenien sowie die Europäische Union. Die Konvention strebt eine ganzheitliche Politik an, um ein umweltverträgliches Wirtschaften im Alpenraum zu gewährleisten.
Die Rechtsservicestelle der Alpenkonvention ist eine „großteils ehrenamtliche Vereinigung“, welche sich mit Fragen der rechtlichen Auslegung der Alpenkonvention auseinandersetzt. Konkret umfasst die Serviceleistung eine erste, unverbindliche und allgemeine Auskunft zur Auslegung bzw. Umsetzung der Alpenkonvention. Die Auskunft ersetzt jedoch keinesfalls behördliche Ermittlungsverfahren oder etwa Gutachten von Sachverständigen. Die Rechtsservicestelle Alpenkonvention beschäftigt sich ausschließlich mit Anfragen, die vor der verwaltungsbehördlichen Erledigung an sie herangetragen werden und hat keine formalrechtliche Stellung.