- LR Zumtobel: „Wir brauchen am Brennerkorridor Planbarkeit.“
- Professor Obwexer: „Rechtlich kann ein Slot-System am Brenner umgesetzt werden.“
- Gassner, Vorstand der Abteilung Mobilitätsplanung: „Die Datengrundlagen sind vorhanden.“
Nach seinem Lokalaugenschein in Hamburg hat LH Anton Mattle gemeinsam mit LR Renè Zumtobel heute, Dienstag, die Verkehrsexperten und Mobilitätsplaner des Landes sowie Europarechtsexperte Walter Obwexer eingeladen, um über die Funktionsweise des Slot-Systems am dortigen Hafen zu berichten. „Hamburg, aber auch die funktionierenden Slot-Systeme in Bremerhaven und am Frachtflughafen Frankfurt dienen uns als Vorbild für ein intelligentes Verkehrsmanagementsystem am Brennerkorridor“, begründet LH Mattle, der morgen, Mittwoch, dazu auch dem Tiroler Landtag berichten wird. „Mit der Blockabfertigung dosiert Tirol bereits jetzt den LKW-Verkehr, um Staus auf der Autobahn zu verhindern und die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Dennoch steuern LKW unkoordiniert auf Tirol zu, wodurch sich der Stau nach Bayern verlagert. Solange die Verkehrsbelastung Tirol gefährdet, bleibt die Blockabfertigung als Notmaßnahme bestehen. Unser Ziel ist aber eine Weiterentwicklung zu einem gemeinschaftlichen und dauerhaften Brenner-Slot-System, bei dem sich LKW nur auf den Weg nach Tirol machen, wenn sie ein Zeitfenster gebucht haben“, erwartet sich LH Mattle dadurch weniger Staus und mehr Verkehrssicherheit. Im Jahr 2024 dosiert Tirol an der Grenze zu Deutschland an 40 Tagen mittels Blockabfertigung den LKW-Verkehr. Analysen haben ergeben, dass an diesen Tagen ein besonders hohes Schwerverkehrsaufkommen zu erwarten ist, weshalb die Polizei an einem Checkpoint den Schwerverkehr verlangsamt. Die Kapazitäten der LKW, die pro Stunde durch Tirol durchfahren können, werden so gewählt, dass die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf der A12 Inntal- und der A13 Brennerautobahn gewährleistet ist.
Parallelen von Hamburg und dem Brenner
Auch Hamburg hatte bis zur Einführung des LKW-Slot-Systems im Jahr 2017 mit Rückstaus, langen Wartezeiten und Engpässen in Terminals zu kämpfen. Der Hafen in Hamburg ist der größte Seehafen in Deutschland und der drittgrößte in Europa. Im Jahr 2023 wurden dort 7,7 Millionen Container umgeschlagen, rund 50 Prozent werden davon mit der Bahn, 47,7 Prozent mit dem LKW weitertransportiert. Bis zu 150.000 Fahrzeuge passieren täglich die A7 durch Hamburg. „Wir brauchen für den Brennerkorridor neue Konzepte, um den Verkehr besser zu entflechten und Planbarkeit auf der Straße herzustellen. Warum sollte ein Konzept, das auf der Schiene oder in internationalen Häfen schon immer funktioniert, nicht auch auf die Straße anwendbar sein? Wir dürfen die Autobahn nicht länger dem Zufallsprinzip überlassen – es braucht klare Regeln für den LKW-Transit“, ist auch Verkehrslandesrat Zumtobel überzeugt von der buchbaren Autobahn für LKW. „Heute wäre der Hamburger Hafen ohne Slot-System nicht mehr denkbar. Die Frächter und LKW-Fahrer sind froh, weil sie nicht mehr im Stau stehen und sich Wartezeit sparen. Die Bürgerinnen und Bürger sind nicht mehr durch lange Staus belastet. Die Umwelt profitiert, weil sich der Verkehr entzerrt und Stop-and-Go-Verkehr, also stetes Fahren und Abbremsen aufgrund von Kolonnenverkehr, weniger geworden ist“, pflichtet ihm LH Mattle bei und kündigt die weiteren Schritte an:
1. Präsentation des ausgearbeiteten Konzepts für ein funktionierendes Verkehrsmanagementsystem
Die Tiroler Landesregierung will mit ihren Partnern in Bayern und Südtirol den Nationalstaaten den finalen Bericht vorlegen, wie ein grenzüberschreitendes digitales Verkehrsmanagementsystem funktionieren kann. Ein solches beinhaltet die technische digitale Lösung, die rechtlichen Möglichkeiten und die Empfehlungen an die Nationalstaaten zur Umsetzung.
„Die Vorbereitungsarbeiten zur Einführung eines digitalen Verkehrsmanagementsystems sind von Seiten der Länder Tirol, Bayern und Südtirol sind soweit abgeschlossen. Auf die Kufsteiner-Erklärung im April 2023 folgten viele Treffen der überregionalen Arbeitsgruppe, die Einbindung wichtiger AkteurInnen wie Industrie- und HandelsvertreterInnen sowie Frachtunternehmen und Autobahnbetreiber. Wir stehen kurz vor dem Abschluss, jetzt sind die Nationalstaaten am Zug“, steht LR Zumtobel mit seinen Amtskollegen in Bayern und Südtirol im regelmäßigen Austausch.
2. Simulation am Brennerkorridor
Die Tiroler Landesregierung arbeitet zusammen mit der ASFINAG an der Weiterentwicklung der gemeinsamen Verkehrssimulation A12/A13 mit den verschiedenen Verkehrsmaßnahmen am Autobahnnetz simuliert und getestet werden. Daneben soll in den kommenden Monaten auch das Güterverkehrsmodell für Tirol zur Verfügung stehen. Auf Basis dieser Modelle will das Land Tirol der Europäischen Kommission und den Nationalstaaten die Funktionalität und Vorteile eines intelligenten Verkehrsmanagementsystems deutlich machen. Es gilt zudem aufzuzeigen, wie eine Pilotphase eines Brenner-Slot-Systems ausgestaltet werden kann. Das Land Tirol wird entsprechende Gespräche mit der ASFINAG führen.
Das Land Tirol kann in Verkehrsfragen auf umfassendes Datenmaterial und Studienergebnisse zurückgreifen, wie der Vorstand der Abteilung Mobilitätsplanung, Martin Gassner, bestätigt. Neben den Daten des Landes werden seitens der ASFINAG laufend Zähldaten entlang der Autobahnen erhoben. Der enge Austausch ist hier sehr wichtig. „Die jährlichen Verkehrsberichte, die vielen Studien zum grenzüberschreitenden Verkehr sowie zahlreiche Erhebungen zur Verkehrsentwicklung machen den Brennerkorridor zu einer der bestuntersuchtesten Transitrouten Europas. Auch der LKW-Dosierkalender basiert auf solidem Datenmaterial wird zusätzlich durch Verkehrssimulationen untermauert. Man ist deshalb in der Lage, die notwendigen Grundlagen für die Einführung eines grenzüberschreitenden Verkehrsmanagementsystems für LKW zu liefern“, ist Gassner überzeugt.
3. Rechtliche Grundlage schaffen
Die Tiroler Landesregierung prüft die europarechtlichen und nationalstaatlichen Grundlagen, um die gesetzlichen Rahmenbedingungen für ein funktionierendes Brenner-Slot-System zu schaffen.
Europarechtsexperte Professor Walter Obwexer sieht dabei keine rechtlichen Hürden, die auf europäischer oder nationaler Ebene einem solchen digitalen Verkehrsmanagement im Weg stehen würden. „Das Slot-System ist rechtlich möglich. Die Einrichtung eines solchen grenzüberschreitenden Systems fällt grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Da die Autobahnstrecke Rosenheim – Verona auf dem Hoheitsgebiet von drei EU-Mitgliedstaaten liegt, wäre ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen Italien, Österreich und Deutschland als rechtliche Grundlage dafür erforderlich. Allerdings muss die Anzahl der Slots auf technischer Ebene definiert werden, an der maximalen Kapazitätsgrenze der Infrastruktur ausgerichtet sein und ihre Vergabe darf niemanden diskriminieren“, sagt Obwexer.
4. Druck auf die Nationalstaaten
Die betroffenen Regionen liefern die fachliche Grundlage, grenzüberschreitend umsetzen können das System allerdings nur die Nationalstaaten. Die Tiroler Landesregierung wird sich daher in einem Schreiben an die Verkehrsministerien in Berlin, Wien und Rom wenden und drängt damit auf trinationale Gespräche mit Unterstützung der Europäischen Kommission. Dabei braucht es einen Staatsvertrag, der ein grenzüberschreitendes digitales Verkehrsmanagementsystem ermöglicht.
„Die nächsten Schritte sind dafür ausgelegt, das Brenner-Slot-System - wie mit Bayern und Südtirol in der Kufsteiner Erklärung vereinbart - grenzüberschreitend und gemeinsam umzusetzen. Sollten die Nationalstaaten die drei Regionen dabei nicht unterstützen, behält sich die Tiroler Landesregierung vor, gemeinsam mit der Österreichischen Bundesregierung eine nationale Umsetzung zu prüfen“, bleibt LH Mattle in der Transitfrage gesprächsbereit.
Technische Lösung
Hinter dem Slot-System im Hafen in Hamburg steckt eine Software der Firma Dakosy. Als eines der führenden Softwarehäuser in Deutschland bietet das Unternehmen cloudbasierte Lösungen für die Zollabwicklung, die internationale Spedition und das Supply Chain Management an. Dakosy betreibt die Cargo Community Plattformen unter anderem für den Hamburger Hafen und für den Flughafen Frankfurt/Main. Das von dieser Firma programmierte TruckGate LKW Slotmanagement System wird zurzeit an den Standorten Hamburg und Bremerhaven und damit an insgesamt elf Terminals und bei drei Behörden eingesetzt. Pro Tag werden circa 15.000 LKW Transporte über dieses System abgewickelt, dabei sind 400 Fuhrunternehmen, über 22 Software Provider und 40.000 EinzelfahrerInnen an dieses System angeschlossen.