Neuer Trainingssimulator für Lawinenrettungen

Einzigartig in Europa: Lawinenwarndienst des Landes Tirol entwickelt Simulator mit Virtual-Reality-Technologie

  • Realistisches Training für die KameradInnenenrettung nach Lawinenabgängen
  • Tool soll ab Herbst 2023 unter anderem bei Lawinenausbildungen und auf Berghütten zum Einsatz kommen
  • Gewonnene Daten kommen Forschung zugute
  • Virtual-Reality-Technologie und Bewegungscontroller ermöglichen realistisches Üben verschiedener Verschüttungsszenarien

Kälte – Enge – wenig Luft. Wenn eine Lawine abgeht und Menschen verschüttet sind, zählt jede Sekunde. Je besser ErsthelferInnen ausgebildet sind und je schneller Verschüttete gefunden und ausgegraben werden, desto höher sind die Überlebenschancen. Ziel ist es daher, WintersportlerInnen bestmöglich auf den Ernstfall vorzubereiten und eine realistische Übung der Abläufe zur Rettung von Lawinenopfern zu ermöglichen. Der Lawinenwarndienst des Landes Tirol entwickelt in diesem Zusammenhang im Auftrag von Sicherheitslandesrätin Astrid Mair einen Trainingssimulator für Lawinenrettungen. Mittels Virtual-Reality-Technologie (VR) und dem Einsatz sogenannter VR-Brillen ermöglicht es der Simulator, in sicherer Umgebung unter realistischen Bedingungen den Ernstfall zu trainieren.

„Lawinen sind eine Gefahr im Alpenraum. Umso wichtiger ist es, dass wir laufend sensibilisieren und auf Risiken und Handlungsempfehlungen aufmerksam machen. Mit dem Lawinenwarndienst des Landes und den Einsatzorganisationen sind wir in Tirol sowohl in Sachen Bewusstseinsbildung und Information als auch für Such- und Bergungseinsätze bestens aufgestellt. Einen wesentlichen Faktor, um Menschenleben zu retten, spielt jedoch auch die sogenannte ‚KameradInnen-Rettung‘ – also die sofortige Suche durch jene Personen, die bei einem Lawinenunglück unmittelbar vor Ort sind. Mit dem neuen Trainingssimulator für Lawinenrettungen entwickeln wir ein Tool, das Wintersportbegeisterten die Möglichkeit bietet, entscheidende Rettungsmaßnahmen bei Lawinenunglücken realitätsnahe zu üben. Für die Verunglückten unter der Lawine zählt jede Sekunde – der neue Trainingssimulator kann in Zukunft dazu beitragen, Menschenleben zu retten. Gleichzeitig kommen die erhobenen Daten aus der Simulation auch der Forschung zugute“, erklärt LRin Mair und verweist darauf, dass ein solches Tool einzigartig in Europa ist.

Die Entwicklung des Trainingssimulators soll im Herbst 2023 fertiggestellt werden. Anschließend soll er in verschiedensten Bereichen – unter anderem bei Lawinenausbildungen, auf Berghütten oder bei der Alpinmesse – für Übungen bereitgestellt werden. „Egal ob erfahrene Bergretterinnen und Bergretter oder Freizeitsportlerinnen und Freizeitsportler: Wenn eine Lawine in der Nähe abgeht und Menschen verschüttet werden, sind sie alle als Ersthelferinnen und Ersthelfer gefordert. Der Trainingssimulator richtet sich an alle Personen unabhängig ihrer Vorerfahrung. Denn sie alle können im Ernstfall Leben retten“, so LRin Mair.

Mehr Realitätsnähe durch VR-Brille und Bewegungscontroller

Der Trainingssimulator für Lawinenrettungen funktioniert in Kombination mit einer VR-Brille. Wird diese aufgesetzt, taucht die/der NutzerIn in die virtuelle Welt des Übungssimulators ab. In diesem virtuell-alpinen Raum kann sich der/die NutzerIn bewegen und ihn visuell und auditiv erleben. „Für Ersthelferinnen und Ersthelfer bedeutet die Suche nach Verschütteten Stress: Auch wer theoretisch gut geschult ist, muss im Ernstfall über sich hinauswachsen. Mit dem Trainingssimulator und der Nutzung der VR-Brille entsteht ein Gefühl, sich direkt in einer realen alpinen Umgebung und bei einem realen Einsatz zu befinden. Durch das gestiegene Realitätsempfinden wird die Übung noch wirksamer und ermöglicht es, die wesentlichen Maßnahmen und Handgriffe beinahe ‚in Echt‘ durchzuführen“, erklärt Patrick Nairz, Leiter des Lawinenwarndienstes des Landes. Die Steuerung des Trainingssimulators funktioniert über Bewegungscontroller in der Hand. „Dadurch können Bewegungsabläufe verschiedener Rettungsmaßnahmen, etwa das Sondieren oder das Arbeiten mit dem Lawinenverschüttetensuchgerät, haargenau nachgestellt und damit noch realitätsnäher geübt werden“, so Nairz.

Vom Packen der Ausrüstung bis zum Ausschaufeln

Die Simulation umfasst zwei Teile: Zunächst müssen in einer Garage alle nötigen Gegenstände für eine Tour in den Bergen – unter anderem Lawinenverschüttungssuchgerät (LVS), Schaufel und Sonde – gepackt werden. „Das richtige und vollständige Packen der Ausrüstung ist ein wesentlicher Bestandteil einer jeden Tour im alpinen Raum. Hier passieren leider auch oftmals die ersten Fehler: Vergisst man einen Gegenstand, fehlt dieser später bei einer möglichen Rettungsaktion und erschwert die Suche und Bergung“, erklärt Norbert Lanzanasto vom Lawinenwarndienst des Landes, der für die Programmierung des Tools verantwortlich ist.

Der zweite Teil der Simulation umfasst die Rettung am Berg: Nach einer Videosequenz mit dem Lawinenabgang müssen verschüttete Personen gesucht und geborgen werden. „Dafür müssen verschiedene Techniken wie die LVS-Suche und Sondierung angewandt werden. Das Szenario endet schließlich mit dem Eintreffen der professionellen Rettungskräfte. Anschließend erhalten die Nutzerinnen und Nutzer ein automatisiertes Feedback über ihre Leistung. Dabei ist die Zeit bis zum Ausgraben der verschütteten Person wichtig, aber vor allem welche Schritte zu welchem Zeitpunkt während der Rettung gemacht wurden. Damit wird ersichtlich, wie effektiv die KameradInnenrettung war. Die gesammelten Erfahrungen aber auch festgestellte Fehler stellen einen wichtigen Lernprozess dar, um im Ernstfall besser reagieren zu können“, so Lanzanasto. Die realistischen Verschüttungsszenarien können ­– je nach Verschüttungstiefe und Position der verschütteten Personen – in verschiedenen Schwierigkeitsgraden simuliert werden.

Datengewinnung für Forschung

Die anonymisierten Daten der Trainingssimulation können ausgewertet und für Forschungsprojekte zur Verfügung gestellt werden. „Aus den gewonnen Daten kann erhoben werden, welche Fehler bei der KammeradInnenrettung häufig gemacht werden, wo die größten Unsicherheiten bestehen und mit welchen Ausrüstungsgegenständen sich Ungeübte schwertun. Damit können Ausbildungen in Zukunft weiter verbessert werden“, erklärt Nairz. „Der neue Trainingssimulator punktet gleich doppelt: Einerseits können Wintersportbegeisterte ihre Fähigkeiten in der KameradInnenrettung verbessern, gleichzeitig helfen die Auswertungen dabei, die Ausbildungsprogramme nachhaltig zu verbessern“, so LRin Mair abschließend.