Tirol macht sich in Brüssel für die Bahn stark

Verlagerung auf die Schiene ist eine gesamteuropäische Herausforderung

 

  • LH Mattle und LR Zumtobel sehen großes Potential für die Brennerbahn als Modellstrecke für die Verlagerung 
  • Land Tirol initiierte internationale Fachtagung im Europäischen Parlament im Rahmen der Aktionsgemeinschaft Brennerbahn
  • Intensiver Austausch zum Güterverkehr – Verlagerung, Unterstützung und Wettbewerbsfähigkeit müssen Hand in Hand gehen

Tirol lässt im Europäischen Parlament über die Verlagerung auf die Schiene diskutieren: Im Rahmen des Tiroler Vorsitzes der Aktionsgemeinschaft Brennerbahn (AGB) stand heute, Montag, ein ganzer Tag in Brüssel im Zeichen des Güterverkehrs auf der Schiene. Die AGB ist ein Zusammenschluss der Länder und Wirtschafts- bzw. Handelskammern entlang des Brennerkorridors (Tirol, Bayern, Südtirol, Trentino und Verona). Nach der Fachkommissionssitzung der AGB fand am Nachmittag eine Fachkonferenz in den Räumlichkeiten des Europäischen Parlaments mit hochkarätiger Besetzung statt. LH Anton Mattle, Vorsitzender der AGB, zeigte sich kurz vor Abschluss der Tiroler Präsidentschaft mit der Arbeit der vergangenen zwei Jahre zufrieden: „Die Schiene ist die Zukunft. Das Land Tirol ist in Brüssel ein Antreiber für die Verlagerung auf die Schiene. Die Aktionsgemeinschaft Brennerbahn unterstützt aktiv die Verkehrswende. Mit konkreten Projekten, finanzieller Unterstützung und dem gemeinsamen Einsatz auf politischer und wirtschaftlicher Ebene wollen wir die Weichen stellen, um Transporte abseits der Straße erfolgreicher abzuwickeln. Ziel ist es, die Schiene wettbewerbsfähig zu machen und bürokratische Hürden abzubauen.“ Verkehrslandesrat René Zumtobel: „Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Wirtschaft und Politik sowie der direkte Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch ist in Sachen Güterverkehr von enormer Bedeutung und laufend notwendig. Es braucht Kooperation und Vorschläge auf allen Ebenen, um langfristige Lösungen und zählbare Verbesserungen für das Verkehrsproblem am Brenner zu erreichen. Aktuell werden durch unser Land zu viele Güter auf der Straße statt auf der Schiene transportiert. Wenn wir die Verlagerung hin zur Schiene schaffen wollen, brauchen wir einen europäischen Zusammenhalt, einheitliche Systeme und Gerechtigkeit bei der Preisgestaltung – der Schienenverkehr ist in ganz Europa unter Druck.“

Fachtagung zum Thema Wettbewerbsfähigkeit 

Am Nachmittag lud die AGB in den Räumlichkeiten des Europäischen Parlaments zu einer Fachtagung. Unter den rund 90 TeilnehmerInnen waren leitende VertreterInnen aus Regionen des Skandinavien-Mittelmeer-Korridors (Scan-Med), der als Hauptachse des Schienengüterverkehrs von Norwegen bis nach Süditalien führen soll und dessen integraler Bestandteil auch der Brenner Basistunnel ist. Ebenso anwesend waren VertreterInnen aus Wirtschaft, Bahn- und Transportwirtschaft. Josef Doppelbauer, Geschäftsführer der Agentur der EU für die Eisenbahnen (ERA) startete die Tagung mit einer Keynote: „An den Grenzübergängen im Binnenmarkt gibt es im Schienenverkehr Wartezeiten von mehreren Stunden. Selbst auf der berühmten Strecke von München nach Verona gibt es am Brenner die berüchtigte Wiederholung der Bremsprobe. In Summe kostet das 50 Minuten Zeitverlust, während man mit dem Brennerbasistunnel 55 Minuten Zeit spart. Mit ,Soft Measures‘, also Maßnahmen auf regulatorischer Ebene, kann man fast dieselben Einsparungen in der Gesamtzeit erreichen. Es gibt einen Vorschlag der Kommission für dieses Kapazitätsmanagement, das europäisch koordiniert werden soll. Wenn man den Verkehr tatsächlich von der Straße auf die Schiene verlagern will, dann muss man den Güterverkehr auf Langstrecken fördern, da ist der Effekt am größten. Das geht über Grenzen, und das geht ohne internationale Koordinierung nicht."

Im Anschluss fand eine Podiumsdiskussion mit Tirols WK-Präsidentin Barbara Thaler, LR René Zumtobel, seinem Trentiner Amtskollegen Mattia Gottardi sowie dem stellvertretenden Generaldirektor der Generaldirektion Mobilität und Verkehr der Europäischen Kommission, Herald RuijtersAlberto Milotti vom Consorzio ZAI (QuadranteEuropa Interport in Verona) und Martin Ausserdorfer (Geschäftsführer von Rail Traction Company) statt. 

„Die Wirtschaft ist bereit, Angebote der Bahn anzunehmen, wenn diese planbar und effizient sind. Deshalb ist es ein Gebot der Stunde, die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene zu verbessern. Ohne die vielen bürokratischen Hürden, die den Güterverkehr auf der Schiene verlangsamen und verteuern, wäre die Bahn im Vergleich zur Straße durchaus konkurrenzfähig. Alleine am Korridor München-Verona könnten mit operativen Harmonisierungen 58 Millionen Euro eingespart werden. Wir stehen aber auch im gesamten Transportwesen mittlerweile vor der großen Herausforderung des Personalmangels. Somit ist es notwendig, dass sich die Europäische Union intensiv mit der Stärkung der Schiene beschäftigt“, erklärt WK-Präsidentin Thaler.

Im zweiten Teil der Fachtagung beschäftigte sich das Panel mit Best-Practice-Beispielen für alle TEN-T-Korridore, dem gesamten europäischen Verkehrsnetz. Neben Pat Cox, dem Europäischen Koordinator für den Scan-Med-Korridor, gaben auch der Vorstand Österreich Brenner Basistunnel, Martin Gradnitzer und Jacob Vestergaard (Projektleiter Ferhmanbelt-Tunnel in der Ostsee) wertvolle Inputs für die darauffolgende Diskussion. „Diese Fachtagung ist ein starkes Statement in Brüssel und bildet einen Höhepunkt für die Tiroler Präsidentschaft der AGB. Der Austausch mit zahlreichen zentralen und einflussreichen Personen in der gesamteuropäischen Verkehrsentwicklung ist ein wichtiger Beitrag zur Vernetzung. Wir wollen gemeinsam voneinander lernen und einen deutlichen Fokus darauf setzen, die Brennerbahn als eine Modellstrecke der Zukunft für die Verlagerung auf die Schiene voranzubringen, vor allem im Hinblick auf den Brenner Basistunnel der neue Kapazitäten schaffen wird“, resümieren LH Mattle und LR Zumtobel.

Zwei Jahre Tiroler AGB-Präsidentschaft

Die vergangenen zwei Jahren in der AGB unter dem Vorsitz des Landes Tirol und der Wirtschaftskammer Tirol standen unter dem Leitgedanken, den regionalen Schienengüterverkehr zu stärken und die Schiene insbesondere für kleinere Unternehmen attraktiv zu machen. „Für die großen Unternehmen ist der Umstieg auf die Schiene leichter möglich, denn es braucht entsprechende Ressourcen, sowohl personeller als auch finanzieller Natur, um eine grundlegende Veränderungen in der Logistik umzusetzen. Wir haben uns daher zum Ziel gemacht, die ,Kleinen‘ zu unterstützen. Schließlich soll es für möglichst viele Unternehmen möglich sein, auf der Schiene zu transportieren“, freut sich Tirols Verkehrslandesrat Zumtobel über die Erfolge der Tiroler Präsidentschaft. So wurde beispielsweise der Transport von (Schad)holz aus dem Südtiroler Pustertal bis ins Zillertal auf die Schiene verlegt, wodurch 180 Lkw pro Monat eingespart werden können. „Die Verlagerung von der Straße auf die Schiene ist herausfordernd, aber dringend notwendig. Nur wenn ein erheblicher Anteil der Abermillionen Gütertransporte in Europa von der Straße auf die Schiene verlagert wird, können wir die Verkehrs-, Lärm- und Luftbelastung reduzieren. Mehr Schiene bedeutet für die Menschen entlang von Straßen mehr Lebensqualität, Gesundheit und Umweltschutz “, so LH Mattle abschließend. 

Den offiziellen Abschluss der Tiroler AGB-Präsidentschaft mit der Übergabe des Vorsitzes an das Trentino bildet die Präsidentenkonferenz am 11. November 2024 in Innsbruck.