„Weil ich es selbst erlebt habe“: Pilotprojekt für gewaltpräventive Peer-Arbeit in Tirol

Verein „lilawohnt“ bietet ab Oktober 2023 Ausbildung zur Peer-Mitarbeiterin an

  • Absolventinnen sollen durch eigene Erfahrungsexpertise von Gewalt und Wohnungslosigkeit betroffene Frauen unterstützen
  • Bewerbungen sind ab sofort unter peers@lilawohnt.at möglich

In der Peer-Arbeit unterstützen sogenannte „Peers“ (auf Deutsch: „Gleichgestellte“), die selbst bereits herausfordernde Situationen erlebt haben, andere Menschen, die gerade mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind. Im Bereich der psychischen Gesundheit und der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen hat sich der Einsatz von Peers bereits etabliert. Im Rahmen eines Pilotprojekts will der Verein „lilawohnt“ (zuvor „DOWAS für Frauen“) die Peer-Arbeit nun auch in der Gewaltprävention und Wohnungslosenarbeit mit Frauen in Tirol einführen. Das Land Tirol finanziert das Projekt mit dem Titel „Weil ich es selbst erlebt habe“ im Rahmen des Gleichstellungspakets mit rund 30.000 Euro. Seit Dezember 2022 hat „lilawohnt“ an der Entwicklung einer entsprechenden Ausbildung für die Peer-Mitarbeiterinnen gearbeitet, die mit Oktober dieses Jahres startet. Ab sofort können sich interessierte Frauen unter peers@lilawohnt.at für die Ausbildung bewerben. Diese besteht aus sieben Modulen und dauert bis Mai 2024. Im Anschluss können die Absolventinnen als Peer-Mitarbeiterinnen in Einrichtungen der Wohnungslosenarbeit tätig werden.

„Das Konzept der Peer-Arbeit wird in unterschiedlichen sozialen Bereichen bereits erfolgreich eingesetzt. Es hat den großen Vorteil, dass dabei auf gleicher Ebene kommuniziert werden kann. Peer-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter können damit eine wichtige Ergänzung zu Fachexpertinnen und Fachexperten darstellen. Mit dem Projekt ‚Weil ich es selbst erlebt habe‘ bringt ‚lilawohnt‘ einen neuen und innovativen Ansatz nach Tirol, der speziell im Bereich der Verknüpfung von Gewalt und Wohnungslosigkeit wirken soll. Beides sind Schlüsselherausforderungen unserer Zeit und bedingen einander: So können sich viele Frauen etwa aus finanziellen Gründen nicht aus einer gewalttätigen Partnerschaft befreien. Zugleich sind wohnungslose Frauen vermehrt Gewalt ausgesetzt“, betont Frauen- und Soziallandesrätin Eva Pawlata.

Die Perspektive der Betroffenen einbringen

„Es macht einen Unterschied, ob mein Gegenüber selbst schon einmal nicht wusste, wo sie die nächste Nacht sicher verbringen kann“, führt Projektleiterin Hanna Marte aus. In der Ausbildung zur Peer-Mitarbeiterin setzen sich die Frauen mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinander und erlernen spezielle Gesprächs- und Abgrenzungstechniken. Der Unterricht findet jeweils ganztags am ersten Donnerstag und Freitag im Monat im Stadtteilzentrum Wilten in Innsbruck statt. Insgesamt kann die Ausbildung von maximal zwölf volljährigen Frauen besucht werden, die selbst bereits von Marginalisierung, Existenzbedrohung und/oder Wohnungslosigkeit sowie gegebenenfalls physischer, psychischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen waren.

„Das Neunerhaus in Wien lebt bereits vor, wie Peer-Arbeit in der Wohnungslosenhilfe gelingen kann. Peers, die selbst einmal obdach- oder wohnungslos waren, sind dort Bestandteil des Teams und bereichern dieses, indem die Perspektive der Betroffenen einbringen. Wir sind stolz darauf, dieses Konzept nun erstmalig auch in Tirol umzusetzen und mit Oktober die ersten Frauen als Teil dieser neuen Berufsgruppe auszubilden. Das Projekt soll die Unterstützung von Frau zu Frau fördern und damit dazu beitragen, dass mehr Frauen langfristig aus den Gewalt-Kreisläufen ausbrechen und ein eigenständiges Leben führen können“, sagt Julia Schratz, Geschäftsführerin von „lilawohnt“.

Mehr Informationen zum Projekt finden sich unter www.lilawohnt.at/peers.