Landtagsenquete zur Güterverlagerung auf Schiene

  • Beispiele aus Praxis über funktionierende Verlagerung
  • Herausforderungen und Probleme aufgezeigt
  • Beteiligte an Tisch bringen, Verlagerungsberatung in Anspruch nehmen

Sie gilt als wichtiges Mittel zur Reduktion des Verkehrsaufkommens auf Tirols Straßen: die Verlagerung von Gütern auf die Schiene. Eine Enquete des Landtages widmete sich heute Dienstag diesem umfassenden Thema. ExpertInnen aus den Bereichen Mobilität, Infrastruktur und Wirtschaft diskutierten unterschiedliche Erfahrungen und mögliche Maßnahmen – etwa zur Reaktivierung von Anschlussbahnen, Verlagerungsberatung für Unternehmen oder die Schaffung von Regionalterminals.

„Die heutige Enquete ist Ergebnis eines Allparteienantrags, den wir im Tiroler Landtag einstimmig beschlossen haben. Wir wissen um das große Potential der Güterverlagerung auf Schiene und wollen das Thema breit behandeln. Die heutigen Berichte aus der Praxis ermöglichen es uns im Verkehrsausschuss, an jenen Stellschrauben zu drehen, die in unserem Einflussbereich sind“, so Florian Riedl, Ausschussvorsitzender und Koordinator der Enquete.

Kombinierter Verkehr für mehr Energieffizienz

Einleitend referierte Ralf-Charley Schultze, Präsident der Internationalen Union für Straßen-Schienen kombinierten Verkehr (UIRR), über die europäische Dimension des Themas. Die Fakten würden für die Nutzung von kombinierten Verkehrswegen sprechen: Im Vergleich zum ausschließlichen LKW-Transport könne eine 40-70 Prozent größere Energieeffizienz und ein 60-90 Prozent geringerer CO2-Fußabdruck erreicht werden. Das sei zur Erreichung der Ziele des Green Deals der EU-Kommission essentiell. Die Rolle der UIRR sei es, Aufklärungsarbeit in den europäischen Institutionen und in den Mitgliedsstaaten zu leisten. Als Herausforderungen nannte Schultze, dass sich die Qualität der Züge verbessern müsse (etwa in Puncto Pünktlichkeit), dass Kostenwahrheit bei den Energiepreisen herrsche (Bahnstrom vs. LKW-Diesel), die Infrastruktur bestmöglich genutzt werden könne (aktuelle Einschränkungen durch zahlreiche, nicht abgestimmte Baustellen) sowie der Krieg in Ukraine mit sämtlichen Auswirkungen.

Best Practice aus der Praxis

Mit Martin Sigl, Michael Krautgasser und Alfred Schneider standen anschließend drei Experten aus der Wirtschaft am Podium. Sigl, Logistikleiter bei Binderholz im Zillertal sprach von der erfolgreichen Verlagerungsumsetzung seines Unternehmens, mittels 30 eigens angeschafften Transportwaggons via Zillertalbahn Rundholz in das Inntal zu bringen und dort auf die reguläre Schiene verlagern zu lassen. Im ersten vollen Betriebsjahr dieses Projekts konnten so über 20.000 LKW von den vielbefahrenen Straßen des Zillertals genommen werden. Krautgasser war viele Jahre bei einem Holzunternehmen in Osttirol tätig und erzählte von der Kooperation mit einem Logistiker, um die „erste Meile“ zwischen seiner Firma und einem geeigneten Verladungsbahnhof zu überwinden. Schneider von Truck to Train Service GmbH betreibt in Stams einen Regionalterminal. Man fungiere als „Kümmerer“ und biete Firmen im Umkreis so die Möglichkeit, ihre Waren auf die Schienen zu bringen. Für eine flächendeckende Verfügbarkeit in Tirol wären laut Schneider mindestens fünf solche Regionalterminals im Land nötig.

Hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion

Reinhard Schretter (Schretter & Cie GmbH & Co KG) betonte, dass das Gesamtpaket passen müsse, damit die Verlagerung auf die Schiene für Firmen in Frage kommt. Neben attraktiven Preisen ist vor allem eine funktionierende Schieneninfrastruktur notwendig.

Petra Mussmann (Ragg GmbH) führte aus, dass die Plan- und Verfügbarkeit von Waggonmaterial ein großes Thema für ihr Unternehmen, das über eigene Anschlussgleise verfüge, sei. Personalengpässe bei der Bahn würden teils ebenso zu Schwierigkeiten führen.

Für Ekkehard Allinger-Csollich (Land Tirol, Abt. Mobilitätsplanung) ist es essentiell, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen, um Verlagerungspotentiale zu nutzen. Das Land würde hier als Moderator fungieren.

Boglarka Mondvay-Nemeth (ÖBB-Holding) unterstrich ebenso die Bedeutung eines engen Austauschs mit den Wirtschaftsunternehmen. Gemeinsam würde man nach der besten individuellen Lösung suchen (Nutzung von Anschlussgleisen bzw. Verladeterminals, Inanspruchnahme von Förderung etc.).

Die Logistik-Disponentin Sophia Neumayer (Heavyteam-Spezialtransport GmbH) führte ins Treffen, dass der Schienentransport noch konkurrenzfähiger werden müsse, um für ihr Unternehmen in Betracht gezogen zu werden. Bei geringen Gewinnmargen und der Schnelllebigkeit im Transportbereich würden etwa teure RoLa-Verbindungen oder lange Vorlaufzeiten den LKW-Transport nach wie vor attraktiver machen.

Gerhard Harer (ÖBB Infrastruktur AG), koordinierend beim BBT-Bau tätig, erläuterte, dass der funktionierende Vor- und Nachlauf für den Brenner Basistunnel essentiell sei. Eine gut ausgebaute Strecke würde die notwendige Kapazität für Verlagerungen bringen.

Laut Bernhard Knapp (Land Tirol, Abt. Verkehrs- und Seilbahnrecht) gäbe es in Tirol 80 Anschlussbahnen. Um Unternehmen bei deren Nutzung zu unterstützen, würde man in rechtlichen Belangen beraten