100 Jahre Tiroler Genbank

Schatztruhe alter Landsorten für die Zukunft öffnen

  • Genpool von über 1.000 Saatgutproben alter Landsorten von 35 verschiedenen Pflanzenarten
  • Entwicklung neuer regionaler Spezialitäten aus alten Landsorten
  • Chance für moderne Pflanzenzüchtung durch Resistenzen gegen Trockenheit oder Krankheiten
  • Volkskunstmuseum widmet der Genbank Ausstellung „Land – Sorten – Vielfalt“

Vor 100 Jahren wurde der Grundstein für die Tiroler Genbank gelegt. Heute liegen mehr als 1.000 Saatgutproben und Pflanzgut von 35 verschiedenen Pflanzenarten getrocknet bei minus 16 Grad im Kühllager der Tiroler Genbank. 70 Kartoffel-Landsorten werden bei leichten Plusgraden dunkel gelagert und durch jährlichen Anbau für künftige Generationen erhalten. Die Tiroler Genbank ist gemeinsam mit St. Petersburg die weltweit älteste der mittlerweile 1.400 Genbanken. Und sie ist die einzige mit einer derartigen Vielfalt alter Landsorten aus dem alpinen Raum.

„Mit der Genbank des Landes Tirols sichern wir die ungeheure genetische Vielfalt unserer heimischen landwirtschaftlichen Nutzpflanzen und bewahren unser kulturelles Erbe. Mit unserem eigenen keimfähigen Saatgut erhalten wir aber auch die Grundlage unserer Ernährungssouveränität. Außerdem ist die Genbank eine Schatztruhe und Zukunftsaktie für die heimische Landwirtschaft, die regionale Wirtschaft, die moderne Pflanzenzüchtung und auch die Gastronomie“, unterstreicht LHStv Josef Geisler die Bedeutung der Genbank anlässlich ihres 100-Jahr-Jubiläums.

Alte Sorten – neue Chancen

Tirols alte Landsorten sind nicht besonders ertragreich und auch deshalb in den letzten Jahrzehnten von den Äckern weitgehend verschwunden, aber die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe, die alte Landsorten anbauen, steigt wieder. Aus der Fisser Imperialgerste wird Bier gebraut und Whisky gebrannt, „Bio vom Berg“ greift in seinem Produktsortiment auf alte Landsorten zurück und da und dort gibt es in der regionalen Küche wieder Kemater Weißmais, Rotholzer Trockenbohnen, Wildschönauer Krautrüben oder Brot aus Steiners Rotem Tiroler Dinkel oder Chrystanth-Hanser-Roggen. „Noch sind regionale Produkte aus alten Landsorten rar. In Zusammenarbeit mit dem Innovationszentrum der Agrarmarketing Tirol wollen wir die Schatztruhe alter Sorten für die Zukunft öffnen und neue Spezialitäten entwickeln und anbieten“, erklärt Agrarlandesrat Geisler. Möglichkeiten gibt es viele: So erfährt etwa der Leinanbau eine Renaissance. Ötztaler Lein, auch Flachs genannt, wurde früher im Tiroler Oberland angebaut. Die Fasern wurden zur Stoffproduktion verwendet. Die Samen enthalten hochwertige Fettsäuren. Ötztaler Lein ist auch in der Samenmischung für „Tiroler Blumenwiesn“ enthalten.

Genpool und Forschungsfeld

Seit 2004 leitet Christian Partl die Tiroler Genbank und betreut mit seinem Team die umfangreiche Sammlung alter landwirtschaftlicher Nutzpflanzen. „Unsere Kernaufgabe ist die Sicherung der genetischen Vielfalt alpiner Landsorten. Dazu betreiben wir seitens des Landes Erhaltungszüchtung und haben von allen 1.068 Sorten gutes, kontrolliertes Vorstufenmaterial“, so Partl. Weil die Keimfähigkeit begrenzt ist, muss das Saatgut immer wieder erneuert werden. Das passiert auf etwa vier Hektar Landesfläche vorwiegend im Tiroler Oberland. Eine so genannte in-situ-Erhaltung wird bei den 400 Apfelsorten praktiziert. 1.155 Apfelbäume in Streuobstwiesen sind in der Genbank erfasst. 68 seltene Apfelsorten wurden veredelt und sind in den Sortengärten an der Landwirtschaftlichen Lehranstalt in Imst und in Rotholz enthalten.

Die Tiroler Genbank betreibt seit vielen Jahren auch Forschung. Seit 2016 arbeiten das Land Tirol und die Universität Innsbruck in Imst auf einem Forschungsbauernhof zusammen. „Im kommende Jahr wollen wir das Projekt CerealClimate, in dem wir alte Getreidesorten und moderne Sorten etwa auf Trockenheitsresistenzen hin untersuchen, starten“, gibt Partl Einblick in die Arbeit der Genbank. Denn alte Landsorten können für den modernen Pflanzenbau durchaus interessant sein, weil sie teils gut mit Trockenheit umgehen können, gegen moderne Pflanzenkrankheiten resistent sind und eine höhere Toleranz gegenüber Schädlingen haben. Eine besondere Aufgabe sieht Partl darin, das Material und das Wissen der Genbank für die Praxis verfügbar zu machen und einen Beitrag zur Bewältigung zukünftiger Herausforderungen zu leisten.

Ausstellung im Volkskunstmuseum

Zum 100. Geburtstag der Tiroler Genbank würdigt auch das Volkskunstmuseum deren Arbeit und feiert die genetische Vielfalt heimischer Nutzpflanzen. „Mit der Intervention ‚Land – Sorten – Vielfalt‘ rückt das Tiroler Volkskunstmuseum das hundertjährige Engagement der Tiroler Genbank ins Licht der Öffentlichkeit. Seit hundert Jahren leistet die Institution wichtige Forschungsarbeit, erhält alte Pflanzensorten aus dem Alpenraum und bewahrt nicht zuletzt ein wertvolles kulturelles Erbe. Wir gratulieren der Tiroler Genbank zum 100-jährigen Jubiläum und freuen uns über die gelungene Zusammenarbeit im Rahmen der neuen Ausstellung“, so Peter Assmann, Direktor der Tiroler Landesmuseen.


Historischer Abriss

  • 1922: Start der Sammlung und Dokumentation historischer, regionaler landwirtschaftlicher Nutzpflanzen durch Prof. Erwin Mayr
  • 1939: Versuchsfeld in Sistrans
  • 1941: Gründung der Landesanstalt für Pflanzenzucht
  • 1950: Umbenennung in Landesanstalt für Pflanzenzucht und Samenprüfung
  • 1999: Überführung der Tiroler Genbank in die Abt. Landwirtschaftliches Schulwesen und Landwirtschaftsrecht und Schließung des Standorts in Rinn

Tiroler Genbank – das liegt in der Schatztruhe

  • 1.068 Saatgutproben verschiedener Landsorten aus dem alpinen Raum
  • davon 700 Getreidesorten, 70 Kartoffel-, 84 Bohnen-, 56 Mohn und 19 Erbsensorten sowie 63 Krautrüben…
  • 35 verschieden Arten (Weizen, Gerste, Roggen, Hafer, Emmer, Einkorn, Dinkel, Triticale, Mais, Hirse, Kartoffel, Busch-, Stangen-, Feuer- und Ackerbohnen, Erbsen, Mohn, Lein, Buchweizen, Rüben, Kraut, Kohl, Brotklee, Tomaten, Schnittlauch, Zwiebel, Kresse, Wicke, Kürbis, Lupine…)
  • 400 verschiedene Tiroler Apfelsorten (in-situ-Erhaltung)
  • davon 68 seltene